Und hier noch was Schönes:
Letzte Beiträge
(A)social Media
Mittwoch, Tübingen. Social Media nimmt zu viel Zeit in Anspruch. Gespräche deswegen mit dem Verlag, mit Freundinnen. Die meisten sind auf Insta. Da bin ich bisher nur angemeldet, sozusagen ohne Aktivitäten. (Daniel Glattauer, dessen neuen Roman In einem Zug ich gerade mit höchstem Vergnügen lese – 5 Sterne! – nennt sie die asozialen Medien, das gefällt mir. Daniel Glattauer gefällt mir übrigens auch.)
Stell Fotos ein. Jede Woche wenigstens eins, rät mir A.
Was für Fotos? Soll ich ständig Selfies machen?, frage ich genervt.
Mach ein Bild von deiner Tastatur, wenn du schreibst, von deinem Teller, wenn du isst, von deinem Balkon, wenn …
Ach hör auf! So was Bescheuertes. Wer braucht denn ein Tastaturbild? Kennt doch jeder.
Trotzdem. Es ist eine Erinnerung. Dass es dich gibt.
Echt jetzt?
Noch ein Buch – „Junge Texte aus Eisenach“
Das zeitgleiche Erscheinen der „Junge Texte aus Eisenach“ und „Was wirklich zählt – 18 Mal Hoffnung in Krisenzeiten“ kann nur eins bedeuten: Die Jungen Texte sind MEIN persönliches Hoffnungsprojekt!
Alle Beiträge sind in meinem Deutschunterricht entstanden. Anfangs war es die reine Verzweiflungstat: Plötzlich sah ich mich mit SchülerInnen einer Hauptschule und mit sog. „Langzeitarbeitslosen“ konfrontiert – für mich als Tübinger Gymnasiallehrerin ein unbekanntes Terrain. Nicht selten fühlte ich mich direkt in das Filmset von Fack Ju Göte gebeamt.
Die Texte stammen allesamt von Schülerinnen und Schülern der Regelschule Goetheschule Eisenach und des Schulungshauses Ziola GmbH Eisenach.
Erstaunlich schnell haben sie angebissen und sich auf das Schreiben eingelassen. Am Anfang stand die Beschreibung des Lieblingsgegenstandes (eine vom Opa geerbte Gasmaske, eine DDR-Arbeitsmünze, eine Kette von der Mutter, ein Pullover, in dem der erste Kuss fiel …), es folgten spannende Kurzgeschichten über Liebe, Geld und Mord (ohne KI!!!!). Im letzten Teil des Buches finden sich z.T. krasse Erfahrungsberichte, deren literarische Bearbeitung vielleicht auch ein kleines Stück weit das psychische Verarbeiten unterstützen konnte.
Meine 38 JungautorInnen sind im Schreiben über sich selbst hinausgewachsen. Anfangs wollten sie nichts von einem Buch wissen, inzwischen haben fast alle ihre Beiträge mit ihrem Klarnamen gekennzeichnet.
Das Buch ist für mich etwas absolut Gutes. Wir alle, einschließlich der Layouterin und Grafikdesignerin, haben ehrenamtlich gearbeitet, niemand bereichert sich daran. Für den Druck von 100 Exemplaren haben wir ein Crowdfunding gestartet, das bereits nach einer Woche beendet werden konnte, weil die benötigte Zielsumme erreicht war.
Die 38 JungautorInnen haben sich nachvollziehbar im Schreibprozess weiterentwickelt. Zum ersten Mal haben sie eine Stimme, sind Teil eines kulturellen Prozesses, sind Teil der Gesellschaft. Insofern hat das Projekt „Junge Texte aus Eisenach“ – außer dass es Freude macht und die Schreibkompetenz schult – auch eine Demokratie-bildende Funktion.
Es gibt nichts Vergleichbares, „Junge Texte aus Eisenach“ ist etwas absolut Einmaliges.
Die Lektüre eignet sich nicht nur für junge Menschen, die selbst gerne schreiben und lesen, sondern idealerweise auch für alle Berufsgruppen, die mit Jugendlichen arbeiten. Sowohl die Form als auch die Inhalte bieten jede Menge Impulse für LehrerInnen, PsychologInnen, TherapeutInnen …
„Junge Texte aus Eisenach“ kann auch direkt beim Verlag Stellaplan erworben werden:
Warum?
Samstag. Gudrun, meine Freundin aus WG- und Studienzeiten, kommt nach Eisenach. Wir haben uns viel zu erzählen. Natürlich reicht die Zeit nicht. Wann sehen wir uns wieder? Auch in Tübingen haben wir uns so selten getroffen.
Warum ist das so?, fragt sie zum Abschied.
Marie Theres Relin: Die Gefühle bleiben jung
Marie Theres Relin, Schauspielerin und Autorin, in: „Was wirklich zählt – 18 Mal Hoffnung in Krisenzeiten“, – erscheint am 27.04.2025
„… Also, als Autorin gibt es mich schon sehr lange, doch habe ich immer mit diesen Schubladen zu kämpfen, in die man mich reinsteckt und partout nicht wieder rauslassen will. Das macht es manchmal so schwer. Ich wehre mich dagegen, dass die Öffentlichkeit oder andere Menschen bestimmen, wer oder was ich bin. Die Deutungshoheit über mich und meine Arbeit möchte ich schon selbst übernehmen.
Die Idee, ein Buch mit meinem Mann, heute Exmann, zu schreiben, kam mir vor genau 23 Jahren. Es existiert sogar noch ein Brief, in dem ich ihm diesen Vorschlag unterbreite. Ich hätte das schon damals wirklich gern gemacht. Leider bin ich mit meiner Idee nicht zu ihm durchgedrungen. Erst 2022, als wir zusammen nach Teneriffa fuhren, um sein altes Auto von dort nach München zurückzuholen, und wir abends in der Küche beieinandersaßen, fiel es mir wieder ein.
So ist das oft bei mir: Meine Ideen sind immer ganz lange in mir, in meinem Körper, in meinem Kopf, wo sie wachsen und Form annehmen, bis sie plötzlich herausbrechen. „Lass uns doch“, sagte ich zu ihm, „die Wartezeit nutzen und Szenen keiner Ehe schreiben.“ Der Titel war mir spontan durch den Kopf geschossen. Und da sah ich, dass er aufhorchte.
„Okay“, meinte er. „Aber nur unter einer Bedingung: Wir wissen nicht, was der andere schreibt, und wir beeinflussen nicht das Werk des anderen. Jeder schreibt täglich circa eine Seite. Und wir schicken es separat an den Verlag.“
So haben wir es gemacht. Ich habe mich mit dem Projekt nicht an einem wichtigen Lebensmenschen abgearbeitet. Das hatte ich längst hinter mir. Für mich war die Form entscheidend. Er hatte zu mir gesagt: “Schreib doch mal aus deinem Ich heraus. Schreib doch mal radikal. Trau dich was!“
Ich wusste, er traut sich die vollen hundert Prozent. Das kannst du haben, habe ich mir gedacht. Und dann habe ich geschrieben.
Bei meinem Exgatten ist es immer Literatur. Bei mir tun die Rezensenten sich schwer mit der Definition. Zwei Drittel des Buches sind von mir. Zuerst habe ich mir ein Konzept erstellt. Da ich schon ahnte, dass er sehr um sich kreisen und vieles gar nicht erwähnen würde, etwa warum wir hier auf Teneriffa festsaßen, musste ich den Rest liefern: Über die Insel, die Menschen, das reparaturbedürftige Auto und die Werkstatt, eben die Details, die das Ganze mit Leben füllen und ihm eine Struktur geben.
Eines Tages suchte ich den Automechaniker Santi in seiner Werkstatt auf und sagte zu ihm: „Wenn du nicht bald mal das Auto fertigkriegst, machst du meine Karriere kaputt. Ich schreib darüber nämlich ein Buch.“
Als ich dem Franz davon erzählte, meinte er nur: „Du hast sie ja wohl nicht mehr alle.“
Er glaubte nicht wirklich an unser Projekt. Da war für mich klar: Ich musste es so machen, dass, wenn der Kroetz sagt, nee, ich mach’s doch nicht, ich trotzdem mein Buch habe. Dann hätte ich Szene keiner Ehe eben ohne Ex-Ehepartner geschrieben, das ist überhaupt keine Frage.“
Eisenach Vibrations
Mittwoch. B., eine neue Freundin, hat mich zu sich eingeladen. Schon bald wird die Vergangenheit ausgepackt, und wir stellen fest: In Ost und West dieselben Ehedramen.
Da ich direkt von der Arbeit komme, setzt B. mir ein Mittagessen vor – so was Freundliches habe ich selten erlebt. Den Kuchen essen wir spätnachmittags gegen fünf, da haben wir fast alles durch und stellen fest: Wir müssen uns wiedersehen.
Lutz Trabalski: Geld ändert alles – nicht nur zum Guten
Lutz Trabalski, Gewinnberater bei Lotto, in: „Was wirklich zählt – 18 Mal Hoffnung in Krisenzeiten“, – erscheint am 27.04.2025
„Meine Oma, zu der ich eine sehr intensive Beziehung hatte, sagte immer: „Geld macht schlecht.“ Da ist etwas dran, insofern sich mit sehr viel Geld die guten Charakterzüge wie Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft nicht mehr ausleben lassen. Sie werden sozusagen vom Geld übertüncht. Den Spruch meiner Oma habe ich mit ins Leben genommen, er betrifft aber meines Erachtens eher die Leute, die im Investmentbereich unterwegs sind, und weniger meine Lottogewinnerinnen und -gewinner.
Ich freue mich über jede Geschichte, die ich erzählt bekomme, auch wenn ich am Anfang sehr allein damit bin. Denn auch ich darf ja nichts davon preisgeben, nicht einmal gegenüber meiner Frau. Wie zum Beispiel aktuell von einer Person aus Berlin, die 120 Millionen Euro gewonnen hat.
Das ist der höchste Gewinn, der je in Deutschland erzielt wurde! Beim ersten Zusammentreffen gab es nur drei Menschen, die die Identität der Person kannten. Einer davon war ich. Solche Situationen sorgen dafür, dass ich sehr viel darüber nachdenke, welche Bedeutung Geld in unserer Gesellschaft hat, und was es mit einem macht, plötzlich irre vermögend zu sein.
Glück haben ist nicht glücklich sein.
Das eine ist ein Ereignis, und das andere ist ein Zustand. Die große Kunst bei einem Lottogewinn besteht darin, aus diesem glücklichen Moment einen Zustand zu machen. Wie bei einer Partnerschaft ist es die eine Sache, die Frau meines Lebens kennenzulernen, und die andere, daraus eine glückliche Beziehung zu machen. Das ist doch das Entscheidende. Glück hat man immer mal im Leben, manch einer sogar beim Lotto-Spielen. Aber das ist nur der Anfang. […]“
Serkan Eren: Jede Stunde Arbeit verändert Leben
Serkan Eren, Gründer und 1. Vorsitzender der Hilfsorganisation STELP, in: „Was wirklich zählt – 18 Mal Hoffnung in Krisenzeiten“, – erscheint am 27.04.2025
Wolfgang Schmidbauer: Wer ruhig bleibt, überlebt
Der Psychoanalytiker und Schriftsteller Dr. Wolfgang Schmidtbauer in: „Was wirklich zählt – 18 Mal Hoffnung in Krisenzeiten“, erscheint am 027.04.2025
Wie Grischa mit einer verwegenen Idee beinahe den Weltfrieden auslöste (Jakob Hein)
Donnerstag. Der hochmotivierte Grischa aus Gera will loslegen:
Als bester Absolvent seiner Hochschule für Ökonomie tritt er seine erste Stelle in der Staatlichen Planungskommission Berlin an. Dort gibt es aber nichts zu tun, weshalb sein Chef ihn in die Tätigkeit des kunstvollen Wartens einweist. Grischa will nicht kunstvoll warten, stattdessen arbeitet er einen Afghanistan-Plan aus: Zur Förderung der Handelsbeziehungen zwischen Afghanistan und der DDR. Doch Afghanistan hat nichts zu bieten außer Landwirtschaft – ja, aber Landwirtschaft mit Cannabis! Der Handel mit „Medizinalhanf aus afghanischer Produktion“ im Niemandsland des Grenzgebietes würde die Westjugend anlocken, mit ihrem Westgeld Cannabis zu kaufen. Zusätzlich zum Zwangsumtausch jedes Cannabiskäufers würde der Devisenhandel ungeahnten Schwung aufnehmen.
Grischa bekommt die Leitung des Pilotprojekts übertragen, seine Rechnung geht voll auf. Bis in einem Big Deal Fr. J. Strauß den Kollegen aus dem Osten eine Milliarde D-Mark bietet, wenn sie den inzwischen florierenden Handel wieder einstellen.
Dazu eine bezaubernde Freundschaft zw. Grischa und Cornelia Frühling … nachdem sich herausgestellt hat, … Spoileralarm!
Ein Lächeln auf den Lippen der Leserin ist bis zum überraschenden Ende dieser flotten Politsatire garantiert.
Jakob Hein: Wie Grischa mit einer verwegenen Idee beinahe den Weltfrieden auslöste, Galiani Berlin, 2025