Das Ende der Weisheit

Tübingen.

„Wir schützen nicht das Klima, sondern Menschen.“
„Freiheit wählt sich nicht von selbst.“
„Wir legen uns mit den Reichen an.“

Wie lange gehen Werbeagenturen eigentlich in Klausur, um nichtprogrammatischen Unsinn wie diesen zu verzapfen?

Sapere aude!

Freitag. Jetzt muss Deutschland sich emanzipieren. Nach 80 Jahren hat der große Bruder unsere Hand abgeschüttelt. Von Russland hat sich Deutschland 1990 freigemacht, von Amerika hat es das bis zum heutigen Tag nicht geschafft. Vance hat auf der Sicherheitskonferenz in München frei gesprochen, während alle anderen sich an ihrem Blättle festgehalten haben – man kann auch vom Widersacher lernen. In 20 Minuten hat er klargemacht, dass Deutschland seine Sache selbst in den Griff bekommen muss. Think Thanks ade: Sapere aude!

Leute

Mittwoch. Auf der Feier von Ch. lerne ich die supersympathische H.S.  kennen, sozusagen eine Eisenacher Institution. PM kennt sie von früher, sie hat in ihrem Leben wahnsinnig viel auf den Weg gebracht, sprüht vor Fantasie und Unternehmergeist und hat, wie sie nebenbei erwähnt, gerade ein Café in Premiumlage eröffnet.

Da will ich mit Monia hin, fast gleichzeitig kommen wir an und stehen vor einem herabgelassenen Rollladen.  Hm, schade. Für die Öffnungszeiten der Eisenacher Geschäfte und Einrichtungen bräuchte man eine eigene App, vielleicht einer der Gründe, weshalb der Kapitalismus hier noch nicht so wirklich angekommen ist – jeder Laden hat seinen Tagesrhythmus. Ist ja irgendwie auch funny, außer man hat es eilig, und ich habe es fast immer eilig. Die beste Aufschrift steht auf der Immobilienabteilung einer Bank: Geöffnet, wenn jemand im Büro ist. Alltagscomedy.
Ich lerne auch G. kennen, ein Pulverfass voll irre abgefahrener Geschichten, die sie gut getimt zündet. An ihren Füße  bollige Chanel-Sneakers, sie erzählt das unprätentiös, wie auch über andere erstaunliche Dinge aus ihrem Leben. G. ist keine, die sich langweilt, da meldet sie sich lieber als Komparsin auf der Aida und ist mit Prominenten auf du und du.
Dann ist da noch  L., mit ihrem wunderschönen Atelier, in dem sie eigene Werke ausstellt und Gemälde restauriert. Ihre Kundschaft reist aus ganz Deutschland an, sie versteht ihr Handwerk, wir treffen uns zum Tee in ihrer Werkstatt, und das ist eine so ganz andere Stimmung als die, aus der ich gerade komme, mit Krampf und Geschrei auf allen Ebenen. Hier sitzen wir in der Stille, der Tee dampft, durchs Fenster beobachten wir Passanten, die hereinschauen und weiterlaufen, Touristen oder Einheimische, L. kennt viele und erzählt mit ihrer leisen Stimme von Sofia, und wie das war, als sie hierher kam.

Widerstand von oben

Das auch noch: Massendemos von Steuergeldern bezuschusst.
Bundesverteidigungsminister Pistorius ist auch mitmarschiert, na Prost Mahlzeit! Dann waren das Wahlkampfveranstaltungen? Welchen Sinn haben denn staatlich subventionierte Protestaktionen?
Als 18-Jährige hab ich an der Uni in der Fachschaftsarbeit, also in der Praxis, gelernt: Widerstand muss von unten kommen, nicht von oben! Amen

Aufstand der Anständigen?

Freitag. Am vergangenen Wochenende sind in Berlin rund 250.000 Menschen im Namen eines „Aufstands der Anständigen“ – übrigens ein Slogan des vielgeschmähten Gerhard Schröder – auf die Straße gegangen.
Warum?, das fragt sich die interessierte, aber unwissende Bürgerin. Würde ich mich auf den Weg nach Berlin machen, um meinen Mitbürger*innen zu demonstrieren, dass ich anständig bin? Eher nicht. Bei mir klingeln eher die Alarmglocken, wenn sich eine oder einer selbst als anständig tituliert.
Und wer ist dann bitte nicht anständig? Unanständig? Ich empfinde sehr viele Politiker*innen und sehr viele Medienvertreter*innen als unanständig im Umgang mit anderen Menschen. So unanständig, dass sehr anständige Politiker wie Gerhard Schröder oder Kevin Kühnert an Leib und Seele fertiggemacht werden, bis ihnen nur noch der Weg in die Krankheit bleibt. So unanständig, dass die Staatsanwältin Anne Brorhilker ihren Lebensjob an den Nagel gehängt hat, weil sie im Kampf gegen staatliche (!) Finanzkriminalität feststellen musste: Mit juristischen Mitteln lässt er sich nicht gewinnen. Also, im anständigen Deutschland!
Trotzdem unterstelle ich Politiker*innen aller Parteien (Aufschrei), dass sie ihr Amt nicht aus reiner Geldgier oder Eitelkeit ausüben, sondern weil sie die Welt ein Stückchen besser machen wollen. So toll ist der Politikerjob wohl nämlich nicht. Ich unterstelle ihnen Ernsthaftigkeit. Das wäre für mich ein Synonym für Anstand. Anständig ist für mich auch der Dialog mit Andersdenkenden, egal welcher Partei (Aufschrei). Unanständig ist für mich Canceln, Ausgrenzen. Ganz abgesehen davon, dass unsere Medien und Politiker*innen damit nur die Ausgegrenzten stark machen (weil die meisten Menschen Empathie besitzen), aber schon diese Überlegung ist unanständig, weil wahltaktisch.
Ganz ehrlich, ich glaube nicht, dass 250.000 Berlinerinnen und Berliner anständige Leute sind.
Ganz ehrlich, seit ich berufsmäßig mit jungen Menschen zu tun habe, die sehr weit unten auf der sozialen Leiter stehen, habe ich mit sehr anständigen Menschen zu tun. So anständig, dass mir manchmal fast die Tränen kommen. Ich frage sie lieber nicht, welche Partei sie gut finden. Es reicht mir zu sehen, wie sie sich gegenseitig helfen und wie betroffen sie reagieren, wenn es einem von ihnen schlecht geht. Sie sind nicht nach Berlin gefahren, schon deshalb, weil sie dafür gar kein Geld haben. Sie sind ernsthaft. Und  das gefällt mir.

Am Horizont

Manuskript abgegeben!

Was mache ich jetzt? Am Horizont zeichnen sich schon neue Projekte ab.

U.a. ein Auftrag, der sich aus der eben abgeschlossenen Arbeit ergeben könnte: Eine Biografie über eine(n) meiner Protagonist*innen …. Freue mich über das in mich gesetzte Vertrauen.

Und nun könnte ich doch endlich mal …

Blablabla. Bla

Einen Vater (Michael Kyrath), der sein Kind durch die Hand eines Kriminellen verloren hat, mit Gesetzen vollzulabern, die auf den Weg gebracht wurden, jedoch offensichtlich nutzlos und wirkungslos gegen diese Art von Bedrohung sind – das ist unmenschlich.

Unmenschlich und würdelos das Endlosgequatsche von Frau Geywitz. Warum wendet sie sich ab, wenn der Vater spricht? Warum entschuldigt sie sich nicht? Warum erzählt sie Blödsinn von vorgestern? Anstatt sich von ihrer menschlichen Seite, anstatt Empathie zu zeigen?

Der krasseste Satz der Sendung: „Unsere Kinder werden auf dem Altar der Politik geopfert.“

Der beste Moment: Als Lanz am Ende der Sendung schweigt.

Freigabe

Mittwoch. Freigabe! Mein Protagonist Serkan Eren und das Team STELP freuen sich auf mein Buch.
OMG, ich mich auch!
Bis Sonntag noch einmal das ganze Manuskript durchlesen, Endkorrektur (wann ist man damit schon zuende …) und nächste Woche absenden.
Danach geht nichts mehr. Jedes Wort muss jetzt stimmen. Ein bisschen fühle ich mich wie damals im Staatsexamen. Will jetzt nur noch eins: Fertig werden.

Warten

Samstag. Beitrag abgeschickt. In Damaskus schafft Serkan Eren es irgendwie, ihn gegenzulesen, superkonstruktive Korrekturen einzufügen und ihn zurückzuschicken. Warten auf die Freigabe …

Zuneigung

Donnerstag. Die Aneignung bewirkt Zuneigung. So war es bei jedem Interview. Ich habe das Bedürfnis, die Person zu mögen. Sonst würde die Zusammenarbeit auch nicht funktionieren.