Was mir nach dem Interview durch den Kopf geht: Es gibt so wunderbare, konstruktive, inspirierende Menschen. Gute Menschen, ohne Ironie und Wenn und Aber, Visionäre. Das muss man sich immer wieder sagen, wenn einzelne uninspirierende, destruktive Personen aus unerfindlichen Gründen Projekte zu boykottieren versuchen und ihre Energie daraus beziehen, andere Menschen zu (be)schäden. Ja, gibts. Leider. Vielleicht sind sie in Wahrheit bedauernswerte Geschöpfe, aber mir fehlt die Lust, mich so weit hineinzubegeben. Weg damit, weg aus meinem Sichtfeld. Ich lasse den anderen den Vortritt. Denen mit Visionen. Die nach vorne schauen und Plan B in der Tasche haben, wenns nicht weitergeht. Die mir vertrauen.
Letzte Beiträge
Endspurt
Samstag. Das letzte Interview ist im Kasten: mit Martin Aufmuth, Erfinder und Vorsitzender des internationalen Vereins EinDollarBrille.
Gestern durfte ich in Erlangen mit diesem sehr besonderen Menschen sprechen und mir seine gerade mal kistengroße Brillenfabrik zeigen und erklären lassen, die einzig und allein auf seine Vision, seine Erfindungsgabe und sein technisches Know How bei der feinmechanischen Umsetzung zurückgeht.
Leider ist bei der digitalen Aufnahme etwas schiefgegangen, aber zum Glück lasse ich parallel immer noch eine old school Technik mitlaufen, sodass ich das Gespräch gesichert auf einem Tonträger habe.
Nun heißt es zuerst, die gesamte Gesprächsaufzeichnung verschriftlichen, also abtippen, was erfahrungsgemäß ca. 60 bis 70 Seiten sind, und im zweiten Schritt dann die redaktionelle Bearbeitung. Auf die Weise entsteht ein Fließtext, der den jeweiligen Protagonisten aus seiner Sicht erzählen lässt. Das Endergebnis geht wieder zurück an den Protagonisten, der es bei Bedarf nach seinen Maßgaben noch einmal bearbeitet, etwas einfügt oder streicht, und es letztendlich, wenn alle Änderungen eingearbeitet sind, freigibt.
Dieses sehr aufwändige Verfahren hat sich für mich bewährt, weil sich so zum einen Fehler vermeiden und zum anderen die jeweiligen Erzählhaltungen am besten einfangen lassen. Menschen drücken sich sehr unterschiedlich aus, und die individuellen Abstufungen sollen in den 18 Beiträgen auch zu erkennen sein. Meine Protagonist*innen können sich alle in ihren Texten wiederfinden, das ist meine Bestätigung für eine gelungene Redaktionsarbeit.
Besonders freue ich mich, in einem Verlag – Schüren-Verlag – veröffentlichen zu dürfen, der soeben den hochdotierten Hessischen Verlagspreis gewonnen hat. Yeah, Glückwunsch! Gewissenhafte und gründliche Arbeit zahlt sich aus.
In unseren schwerfälligen Zeiten eine wertvolle Botschaft.
Ordnung und Struktur
Donnerstag. Eins meiner Lieblingsthemen: Der Ordnungsgedanke im Barockzeitalter.
Aus dem Chaos des 30-jährigen Krieges gingen die komplexen Bach-Fugen, üppige Kirchenbauten mit viel Gold und Stuck, das Stillleben als eigenständige Gattung der Malerei und – die deutschen Sprachgesellschaften hervor. Die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, sich der Ästhetik von Schrift und Sprache zu widmen, z.B. das Komma durch den Schrägstrich zu ersetzen, französische Wörter zu eliminieren oder das Figurengedicht zu erfinden, bei dem die äußere Form den Inhalt darstellt.
Das fasziniert mich jedesmal wieder, und dank reichlich mitgeschlepptem Bildmaterial von Vanitas-Stillleben – Totenköpfe, welkende Blumen, Insekten auf Käse und Schinken, umgekippte Goldpokale, Sanduhren – gelingt es tatsächlich, auch meine jungen Menschen etwas aus der Reserve zu locken. Was macht ihr denn so, frage ich sie, wenn ihr innerlich aufgewühlt seid?
Rausgehen, joggen, Gamen, Musik hören, sagen sie. Und dabei eure Gedanken ordnen, bringe ich es paukermäßig auf den Punkt und erzähle, dass manche Leute, statt zu malen / zu dichten / zu komponieren / zu joggen etc.pp., in der Situation anfangen zu putzen, die Wohnung aufzuräumen oder vielleicht erstmal den Schreibtisch oder einen Schrank.
Und plötzlich fällt mir diese Frau ein: Als die Ahrtalflut gerade mal zwei Tage her war und alles aussah wie im Krieg und die Rohre überall aus dem Boden staken und der Schlamm kniehoch in den Wohnungen stand und es nirgendwo Wasser gab außer der Drecksbrühe, die aus den Gullys strudelte, und das ölverseuchte Wasser der Ahr – da holte eben die Frau vom Nachbarhaus einen Eimer Wasser aus der Ahr und fing an ihre Fenster zu putzen. Also die oberen, die noch drin waren, unten gab es ja keine Fenster und Türen mehr, auch bei ihr nicht.
Das fand ich wahnsinnig beeindruckend, dass die ihre Fenster putzte mitten in dem ganzen Chaos, damit sie wenigstens einen Ort in der Welt hatte, der in Ordnung war.
Ich erzähle das, und auf einmal ist es ganz still. Sie hören mir zu und verstehen.
Diese beglückenden Momente sind es, die mir meinen Beruf so liebenswert machen. Auf dem Heimweg gehe ich direkt beim Bachhaus vorbei und frage nach den Gruppenpreisen. Leider zu teuer, da brauche ich gar nicht rückzufragen. Mal sehen, ob sich irgendwas machen lässt.
Im Bachs Geburtshaus mit seiner einmaligen Sammlung alter Instrumente, keinen Kilometer von der Schule entfernt, sind sie alle noch nie gewesen.
Theodor Kornfeld (* 15. Januar 1636 in Herford, † 15. März 1698 in Holte)
Aufsicht
Mittwoch. Stehe ich heute in der Pause bei lauter netten Mädels im Hof, die mich mit ihren skurrilen Geschichten ganz großartig unterhalten, und sage, Leute, ich muss jetzt mal rumschauen, ob es irgendwo Schlägereien gibt, ich bin doch die Aufsicht, da sagt eine: Sie sind nicht wie eine Lehrerin, Sie sind unsere Freundin.
Da bin ich doch einigermaßen platt. Oft genug habe ich als Jugendliche postuliert: Lehrer stehen auf der anderen Seite, auch wenn sie noch so nett tun. Ich war da sehr konsequent. Eine Lehrperson war Feind und konnte nicht Freund sein.
Na ja, höchstens gefühlt. Natürlich hatte ich damals recht. Mit der anderen Seite. Hab mich trotzdem ein Klitzekleinesbisschen gefreut.
Sorge
Dienstag. Wenn nur meine liebe L. wieder gesund wird.
Wir haben das Sagen!
Samstag. Straßenschlachten, vollkommen sinnentleert und nur eruptive Gewalt gegen Polizei, Feuerwehr und Notärzte, machen mir Angst.
Fünf Tote, viele Verletzte, massenhaft Einsätze von Menschen, deren Job es ist, sich auch für Idioten einzusetzen – zusammengenommen lesen sich die Bilder der Silvesternacht 2024/25 wie ein dem Staat ausgestelltes Nichtversetzungszeugnis.
Feuerwerkskörper, die mit dem dumpfen Wums von Kriegsbomben detonieren, um mit der tausendfachen Sprengkraft eines Chinakrachers die Fensterscheiben der umliegenden Häuser zu zerbrechen, sind in meinen Augen kein Feiermedium zum Empfang des neuen Jahres, sondern Waffen. Sind ja auch verboten. Werden aber aus Osteuropa eingeführt und hemmungslos zum Einsatz gebracht, sogar im verschnarchten Eisenach. Destruktion ist die Macht der Ohnmächtigen. Aber mit ihren Kriegsspielen in den Straßen der Großstädte und dem rausgebrüllten Hass auf gesellschaftliche Konventionen haben diese Horden testosterongesteuerter Jungmänner jeden Opferstatus, sofern je vorhanden, ad absurdum geführt.
Stille Tage dazwischen
Samstag. Da isst man noch die Reste vom Feste und hängt ansonsten ermattet in den Seilen. Es reicht gerade so zum Telefonieren, ein bisschen Aufräumen, Filmangucken. Erschreckendes macht die Runde, aber ich zeige Resilienz. Schönes Wort, Schöne Eigenschaft. Der nächste Familientag ist in Planung, soll wieder bei uns stattfinden. Ich bin dabei. Und jetzt erstmal mittagschlafen …
Input
Freitag. Wer sich statt uninspirierendem Presse-und-Funk-Einheitsbrei mehr Gehaltvolles von unabhängigen Denker*innen wie Michael Lüders, Dr. Gabriele Krone-Schmalz, Dr. Svenja Flaßpöhler oder dem Ex-Bundeswehrgeneral Dr. Erich Vad zu hören/lesen/sehen wünscht, der/die muss schon den Freitag abonnieren. Immer wieder Donnerstag weitet er meinen Horizont mit Beiträgen über Leute, die es wagen, sich jenseits des medialen Wunschdenkens über Ukrainekrise, Corona-Aufarbeitung undsoweiter auszulassen, dafür aber nicht mehr eingeladen werden in all die Talkshows und Redaktionsstuben, auf die sie wahrscheinlich sowieso keinen Bock mehr haben.
Ich wundere und rege mich nicht mehr auf. Abonnements mit früher als relevant erachteten Wochenmagazinen habe ich längst gekündigt, die Glotze bleibt weitgehend aus. Meine Inspirationsquellen sind neben dem Freitag die Berliner Zeitung, Flaßpöhlers Philosophie Magazin und manchmal der Cicero.
Reicht ja auch. An ruhigen Abenden liege ich mit einer Tasse Kräutertee auf dem Teppich und lese. Oben Genanntes oder ein Buch. Die gute Laune kehrt zurück, und ich spüre in mir den Herzschlag der Welt.
Voilà
Was wirklich zählt -18 Mal Hoffnung in Krisenzeiten ganz vorne in der Schüren Print Verlagsvorschau Frühjahr 2025. Das wunderschöne, von Christiane Hemmerich gestaltete Cover hat sicher zur guten Platzierung beigetragen. Bin sehr, sehr glücklich. Und erleichtert.
Alles wird besser
Donnerstag. Schöne Silvesterfeier. Die schönste meines Lebens!, behauptet Frieder gleich zweimal und schmeichelt meiner Gastgeberinnenseele.
Ja, ich glaube, Feste feiern kann ich, ist mir in die DNA geschrieben von meinen sehr gastfreundlichen und großzügigen Eltern und eines der Dinge, die ich mit uneingeschränkter Zustimmung von ihnen übernommen habe.
Morgen gehts nach Weimar zu einem RA-Termin in einer etwas lästigen Angelegenheit, und danach gleich weiter zu Frieder und Katrin, die den Termin so schnell für mich klargemacht haben. Gemeinsames Mittagessen bei ihnen zuhause, Frieder ist Premiumkoch, zum Quatschen bietet sich ja dann reichlich Stoff – und wieder was zum Freuen.
Yeah!, mein neues Buch Was wirklich zählt -18 Mal Hoffnung in Krisenzeiten ganz vorne in der Schüren Print Verlagsvorschau Frühjahr 2025 (da noch 17 Mal Hoffnung …). Das wunderschöne, von Christiane Hemmerich gestaltete Cover hat sicher zur guten Platzierung beigetragen. Bin sehr, sehr glücklich. Und erleichtert.