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Wie Grischa mit einer verwegenen Idee beinahe den Weltfrieden auslöste (Jakob Hein)
Donnerstag. Der hochmotivierte Grischa aus Gera will loslegen:
Als bester Absolvent seiner Hochschule für Ökonomie tritt er seine erste Stelle in der Staatlichen Planungskommission Berlin an. Dort gibt es aber nichts zu tun, weshalb sein Chef ihn in die Tätigkeit des kunstvollen Wartens einweist. Grischa will nicht kunstvoll warten, stattdessen arbeitet er einen Afghanistan-Plan aus: Zur Förderung der Handelsbeziehungen zwischen Afghanistan und der DDR. Doch Afghanistan hat nichts zu bieten außer Landwirtschaft – ja, aber Landwirtschaft mit Cannabis! Der Handel mit „Medizinalhanf aus afghanischer Produktion“ im Niemandsland des Grenzgebietes würde die Westjugend anlocken, mit ihrem Westgeld Cannabis zu kaufen. Zusätzlich zum Zwangsumtausch jedes Cannabiskäufers würde der Devisenhandel ungeahnten Schwung aufnehmen.
Grischa bekommt die Leitung des Pilotprojekts übertragen, seine Rechnung geht voll auf. Bis in einem Big Deal Fr. J. Strauß den Kollegen aus dem Osten eine Milliarde D-Mark bietet, wenn sie den inzwischen florierenden Handel wieder einstellen.
Dazu eine bezaubernde Freundschaft zw. Grischa und Cornelia Frühling … nachdem sich herausgestellt hat, … Spoileralarm!
Ein Lächeln auf den Lippen der Leserin ist bis zum überraschenden Ende dieser flotten Politsatire garantiert.
Jakob Hein: Wie Grischa mit einer verwegenen Idee beinahe den Weltfrieden auslöste, Galiani Berlin, 2025
Ostern
Ostersonntag, Tübingen. Frühstück mit T. und E. und Baby Z. und meiner Freundin A., Ostereier, Kochen und Braten, viel und reichlich essen, quatschen, spielen, spazierengehen.
PM zwischen meinen Lieben, mit einem vorsichtigen Lächeln auf den Lippen …
Es hat gut geschmeckt, sagt T. und reibt sich seinen flachen Bauch. A beautiful day, an Easter day.
Leuchten
Samstag, Tübingen. Und noch ein Grund zur Freude: Gestern, an Karfreitag, erreicht mich die wunderbare Nachricht, dass ich auf dem Tübinger Bücherfest 2025 lesen darf. Was wirklich zählt – 18 Mal Hoffnung in Krisenzeiten scheint das Buch zur Weltlage. Es weckt Interesse. Vier Jahre Arbeit zahlen sich aus. Das Buch ist, wie der Vorgänger Lass uns über den Tod reden (Ch. Links, Berlin 2019), eine Überzeugungstat:
Ich wollte etwas herausfinden und habe mich auf den Weg gemacht, um Antworten zu bekommen. Schiele nie auf die Leser!, hat mir mal eine bekannte Autorin geraten.
Ich glaube, am besten wird ein Buch, wenn du es für dich selbst schreibst. Dann fängt es an zu leuchten.
Ich und mein
Der deutsch-irakische Schriftsteller Najem Wali in: „Was wirklich zählt – 18 Mal Hoffnung in Krisenzeiten“ – erscheint am 27.04.2025
Crowdfunding
Freitag, Tübingen. Das Crowdfunding zur Unterstützung der Jungen Texte aus Eisenach hat seinen Zweck schon fast erfüllt. Ich bin beeindruckt und tief bewegt und sehr, sehr dankbar.
Erst vor wenigen Tagen, am Montag, war ich bei T. vom Eisenacher Kunstverein, wo wir den Begleittext formuliert und das weitere Vorgehen besprochen haben. Um von einer unbekannten Menschenmenge, die mein Projekt Junge Texte aus Eisenach sympathisch findet, das Geld für den Buchdruck zu sammeln. Geld auch für die Feier am 28. Mai im Eisenacher Stadtschloss. Zielvorgabe: Rund 2000 Euro! Wie sollte jemals so viel Geld reinkommen?
Heute, nach fünf Tagen, ist das Ziel zu 91 % erreicht. Ich glaube es immer noch nicht so ganz: Spenden von ehem. Mitschülern der Schule, die ich mit 15 verließ!, Spenden von vollkommen Unbekannten über Facebook, Spenden von Beret aus Kiel, von Dorle, von Adelheid, von … von … von Freundinnen und Freunden. Die allergrößte, unglaublich großzügige Spende von einer Freundin meiner nächsten Schule, (aus, sagen wir, familiären Gründen habe ich drei Schulen in der Oberstufe verschleißt). Erst vor knapp zwei Wochen haben wir uns beim Klassentreffen in Essen-Werden wiedergesehen und auf Anhieb wiedergemocht.
Einfach überwältigend, wer alles Teil meines Herzensprojekts geworden ist. Das verbindet. Nicht wegen dem Geld (na ja, auch), sondern weil Sympathie und Liebe dahinter aufleuchten.
Die Einladungskarten für die Feier im Schloss sind in Druck.
Ich bin gerade in Tübingen und kann es kaum glauben. Plötzlich läuft es. Die Feier, die feierliche Übergabe der Bücher an meine 38 Jungautor*innen, war mir von Anfang an wichtig – jetzt steht ihr nichts mehr im Weg. Die Jungen Texte berühren die Herzen. Wie cool ist das denn?
Lieber Lumpenpazifistin als Edelbellizistin
Donnerstag, Tübingen. Gelegentlich als Lumpenpazifistin tituliert, stelle ich klar, dass ich entschieden lieber in einer Reihe mit Heinrich Mann, Romain Rolland, Hermann Hesse, Albert Einstein, Max Planck, Stefan Zweig … und allen voran Bertha von Suttner stehe (um nur die maßgeblichen Pazifist*innen vor dem 1. WK zu nennen), als mit Edelbellizist*innen wie Baerbock, StrackZimmermann, Kiesewetter und sämtliche Mitläufer*innen, die gerade auf den Zug aufspringen, um von der Chaiselongue aus einen Krieg zu befeuern, der nicht zu gewinnen ist. Aber die Toten sind ja noch nicht unsere Toten, da lässt sich’s ungestraft ins Kriegsgeschrei einstimmen.
Frohe Ostern
Mittwoch. Auch die Kleinen sollen mental kriegstüchtig gemacht werden – die putzigen Kampfosterhasen einer Tübinger Bäckerei leisten ganze Arbeit. Wie schon einige Monate zuvor der niedliche Taurus in der ZDF-Kindersendung logo!
Sind einfach inzwischen zu viele Menschen zeitlich zu weit weg vom Zweiten Weltkrieg, um sich Kriegsschrecken und Kriegsgrausamkeit vorzustellen? Mir sind die Erzählungen meiner Mutter von never ending Fliegerangriffen über Berlin und nächtelangem Hocken im Luftschutzkeller und noch mehr die nicht erzählten Geschichten meines mit 17 Jahren eingezogenen Vaters in die DNA geschrieben.
Wenn die schießenden Hasen so gut laufen, scheinen sie Tübingens überwiegend grüner Bevölkerung zu gefallen, die Gehirnwäsche à la Hofreiter/Baerbock/StrackZimmermann funzt. Gibts eigentlich schon das Ü-Ei mit Panzerchen? Frohe Ostern!
Eiskaffee
Dienstag. Hier erwartet niemand mehr was, sagt Angelika. Wir treffen uns im Freien bei Eiskaffee und vagem Sonnenschein. Ich bin beinahe tiefenentspannt. So ungewohnt: nach den abartig arbeitsreichen Wochen und Monaten plötzlich Land in Sicht!
Ich erwarte noch viel, sage ich.
Angelika nickt und sagt nichts.
Ist das die dunkle Wolke, die ich so oft auf mir spüre, seit ich hier lebe?
Wir hören uns zu, wir haben uns was zu sagen.
Alles kaputt
Der Unternehmer und Gastwirt Markus Bell in „Was wirklich zählt – 18 Mal Hoffnung in Krisenzeiten“ – erscheint am 27.04.2025
„Ursel und ich waren im Bell‘s, als das Wasser kam.
Am Abend waren wir zur Ahrtalbrücke gegangen, um uns ein Bild vom Stand des Hochwassers zu machen. Ursel hatte schon in ihrer Schule und ich mehrmals im Betrieb nach dem Rechten gesehen. Um Mitternacht wollten wir unserem Sohn zu seinem 18. Geburtstag gratulieren. Auf dem nächtlichen Weg zum Bell‘s merkten wir aber, dass das Wasser in unserer Fußgängerzone vom Kanal her irre schnell anstieg. Hier war überhaupt kein Fortkommen mehr, weshalb wir uns durch die rückwärtige Straße hinten herum Stück für Stück vorarbeiteten. Als wir endlich reinkamen, lösten wir hastig die Gesellschaft auf. Ungefähr 80 Jugendliche waren da am Feiern. Ein paar blieben, um uns direkt zu helfen den Keller leerzuräumen. Noch wussten wir ja nicht, wie hoch das Wasser steigen würde. Wie wild stapelten wir alle Möbel im Erdgeschoss aufeinander. Als das Wasser im Wintergarten einen Meter hochstand, wurde uns klar, dass die Scheiben nicht mehr lange halten würden. Wir sahen zu, dass die Jugendlichen rauskamen, noch funktionierte der Handykontakt zu den Eltern. Es ging alles wahnsinnig schnell. Dann war der Strom weg. Einer schrie: “Hier läuft‘s Wasser von hinten rein!“
Schwallartig schossen die Wassermassen in das Restaurant. Innerhalb weniger Sekunden ging es uns schon bis ans Knie. Wir hinten raus, wo uns eine Nachbarin durch die Flut entgegenwatete. Wir nahmen sie, ebenso wie die Mieter aus dem Hinterhaus, in unserem Bus und im Auto von unserem Sohn mit, das zum Glück auch noch da war.
Ohne groß nachzudenken, fuhren wir in die Weinberge. Dort oben befindet sich die Adenbachhütte. Zu Hunderten rasten die Leute da hoch. Irgendwie war das surreal. Wie im Film. Du hörtest Menschen rumschreien. Es war stockdunkel, nur Handylampen. Viele liefen noch höher die Weinberge rauf, weil sie Angst hatten, das Wasser würde ihnen nachlaufen, aber so weit kam es nicht.
Nach ungefähr einer Stunde bei dieser Hütte packte uns die Unruhe, und wir wollten nochmal versuchen, zu Fuß zum Betrieb zu gelangen. Wir liefen den ganzen Weg wieder zurück, während die anderen alle hoch in Richtung Adenbachhütte strömten. Doch als wir sahen, wie rasend schnell das Wasser anstieg, wurde uns klar, dass das Bell‘s mittlerweile bestimmt zwei Meter unter Wasser stand. Keine Chance, noch was zu retten. Deshalb wollten wir so schnell wie möglich versuchen, hier wegzukommen zu unserem Haus, das zum Glück weiter oben liegt. Aber die Autobahnzufahrt war gesperrt. Lauter Autos kamen uns mit Warnblinkern entgegen, und die Leute riefen: „Ihr könnt hier nicht weiter, die Straße steht unter Wasser!“
Die Zufahrt zur A 61 war von der Flutwelle unterspült worden und komplett weggebrochen. Wir fuhren dann in entgegengesetzter Richtung, in einer langen Schlange von Geisterfahrern, wieder zurück und über irgendwelche Umgehungsstraßen nach Hause.
Das Wasser sank so schnell wie es gekommen war.
Als wir am nächsten Morgen in den Betrieb kamen, stand da unsere Tochter mitten im Schlamm. Sie war als Erste runtergefahren. Kam aus dem Matsch auf mich zu und sagte: „Papa, du brauchst gar nicht nachzugucken, da ist alles kaputt.“
Zertrümmerte Stühle und Tische übereinandergestapelt, überall Schlamm und Dreck, und von der Decke tropfte noch das Wasser. Ich hörte mich sagen: “So, wir müssen ja irgendwie sehen, wie wir hier klar Schiff machen.“
Und da standen auf einmal Bekannte von uns aus Lantershofen, die sagten: „Hallo, hier sind wir. Wir helfen euch.“ …“