Ziemlich

Du weißt ja, ich bin ziemlich verrückt, sagt Lara. Und lacht so und ist schon wieder weiter Richtung Müller, Mittagspause und so.
Ja, is’ klar! Vor allem weiß ich, dass sie sich verrückt findet: Nicht nur ziemlich, sondern total, das ziemlich ist reine Koketterie. Ich bin ziemlich verrückt klingt eben komplett anders als: Ich bin verrückt. Das geht ja schon ins Bedenkliche, Selbsteinweisung und Tabletten und dieser ganze Bahnhof. Und ist damit genau das, was Lara nicht meint. Lara findet sich super unnormal im positiven Sinne.
Was ist schon normal, fragt sie auch oft. Blöde Frage! Weiß doch jeder, was normal ist. Das, was die meisten von uns denken, machen, sagen. Das Durchschnittliche, Langweilige, Verlässliche, je nach Perspektive. Was ist schon normal, das ist die Frage der total Normalen, die aber nicht normal sein wollen. Und deshalb jedem auf die Nase binden, wie ziemlich verrückt oder, Hipster-Speach: iwie crazy sie sind. Das ist die absolut bescheuerte Selbstaussage einer von sich selbst Angetörnten, die sich Plastikblumen ins Haar steckt und barfuß zum Supermarkt läuft und Nori-Algen aus dem Asiashop knabbert.
Und ich? Kichere höflich und wackle mit dem Kopf und denke, Lara, das ist nicht verrückt! Das ist nichts! Zum Verrücktsein gehört schon iwie mehr. Mit dem Fahrrad nach Australien fahren, zum Beispiel. Das finde ich ziemlich verrückt. In ein Baumhaus ziehen und mit den Eichhörnchen kommunizieren meinetwegen auch. Dagegen wer in ein Baumhaus zieht und mit seinem Tablet kommuniziert, hat einfach nur ‘nen Hau weg. Meschugge mit voller Bedenklichkeits-Ausrichtung. Und wer weder mit Eichhörnchen noch mit seinem Tablet spricht, sondern mit mir auf dem Weg zum Müller – in der Mittagspause –
Ich finde ja, Lara ist ziemlich normal. Sollte ich ihr vielleicht mal stecken … Nächstes Mal.