Freitag. Nach dem „Amt“ ins Ranitzky geflitzt, wo schon Herr Brüne wartet. Er ist vom Hellweger Anzeiger, besucht Freunde in Tübingen und verbindet seinem Kurztripp mit einem Interview mit mir. Es ist Markt, die Sonne brennt, der Fleischereiwagen parkt schon aus, Tische werden beiseite gerückt, mein Cappuccino kommt. Wir verstehen uns auf Anhieb, finden biographische Parallelen, Herr Brüne hat Lass uns über den Tod reden gelesen und faselt nicht ins Leere, sondern stellt konkrete Fragen. Auf die er zurückkommt, wenn ich abschweife, er will es wissen. Nicht will er mich reinlegen, bloßstellen, einen Tagesgag erzielen, wie man es von den Leuten vom Schwäbischen Tagblatt kennt, das merke ich, das finde ich angenehm und ich entspanne mich. Vorab lesen lässt er seinen Artikel nicht, was mich ein wenig beunruhigt, doch wirkt er nicht wie einer, der es nötig hat, sich auf Kosten anderer zu profitieren. Er lebt in Kamen, was ja meine Heimatstadt ist, aber indem er Namen nennt, Straßen, Einrichtungen, die ich alle kenne, merke ich, wie weit weg ich davon bin. Vor zehn Jahren oder so habe ich dieses diffuse Heimweh, diese etwas lästige Sehnsucht nach den Ursprüngen abgelegt, indem ich mich für eine Woche in Kamen im Hotel am Markt einquartiert habe. Ich lief alle Wege von damals ab, solche Dinge gehe ich systematisch an, und traf mich mit Leuten; in diese Zeit fielen auch ein Schulfest und skurrile Begegnungen mit Menschen, die ich längst vergessen hatte, ich wohnte da in einer herzallerliebsten Mansarde mit holzvertäfelten Schrägen und Blick auf den Marktplatz, ich schrieb viel, bummelte durch die Stadt, lief auch weiter raus zum Gelände der ehemaligen Zeche Monopol, und am Ende wusste ich, dass mich mit dieser Stadt kaum mehr etwas verband, außer ein Rest Nostalgie. Davon erzähle ich jetzt Herrn Brüne, und er lacht und sagt, so ähnlich gehe es ihm mit Tübingen, wo er studiert habe.
Lebensabschnitte, Strich drunter, darüber reden wir auch, und dann verabschieden wir uns und ich belade mein Fahrrad mit Einkäufen und fahre nach Hause. Koffer packen. Eine Woche Italien. Und überhaupt kommt heute Abend PM und morgen früh geht’s los.