Nix kaufen bei Marbello

Dienstag. Ich bringe nur die Auswahl zurück. Ich kauf heut nix, sage ich zu Elke.
Sie nickt und nimmt mir die Tüte ab: Hat’s ihm nicht gefallen?
Nee, zu geblümt, sage ich.
Stellt sich die Frage: Mann oder Kleid zurück?
Ich tue entrüstet, während Elke so tut, als räume sie das Kleid bloß schnell an den Kleiderständer. Sie macht das schwer konzentriert, und daran merke ich gleich, so konzentriert kann eine an einem entspannten Samstag Vormittag wie diesem gar nicht sein, wie Elke jetzt scheint, wie sie das Kleid zuerst auf den Bügel hängt und zurecht zieht und dann den Bügel hin- und herschiebt, und deshalb ist das alles bloß Show und fragt sich nur, wie lange sie das noch so durchhält.
Ich stehe unschlüssig vor der Kasse. Will sie mir jetzt etwa –
Wir haben neue Kleider reinbekommen, sagt sie und sieht haarschaff an mir vorbei. Als wäre es ihr egal, wie ich auf diese Information reagiere. Sie macht sich an den Regalen an der Wand zu schaffen, und wie voll die schon wieder sind oder immer noch, irgend so etwas sagt sie, und wie zufällig hält sie dabei ein Kleid hoch. Eins von den neuen. Jedenfalls kenne ich es noch nicht. Ich sehe das Kleid in ihrer Hand und denke daran, was ich eben gesagt habe.
Schön – , sage ich.
Ja, nicht? Elke hebt das Kleid ein Stückchen höher, damit ich es besser sehen kann. Es ist naturfarben und übersät mit kleinen Äpfeln in Orange und Schwarz.
Das – ist wirklich schön, sage ich.
Ja, oder? Elke macht ganz runde Augen. Du kannst mir voll vertrauen, soll das wohl heißen.
Ich halte mir das mal vor, sage ich und gehe zu Elke rüber und nehme ihr das Kleid aus der Hand und stelle mich damit vor den Spiegel.
Nur vorhalten, sage ich.
Elke nickt.
Du kannst es ruhig auch anziehen, sagt sie. Anziehen kostet nichts.
Na gut, ich zieh’s mal über. Schnell verschwinde ich in der Kabine. Anziehen ist schließlich nicht kaufen, sage ich mir.
Ich komme raus und sehe in den Spiegel: Das Kleid ist großartig. Irgendwie sixty-mäßig und süß und einfach etwas Besonderes.
Und wenn du’s jetzt schon tragen willst, sagt Elke mit Blick aus dem Fenster, ziehst du einfach einen schwarzen Cardigan drüber. Und schon hat sie verdammt woher einen Cardigan rausgezogen, den hält sie mir einladend hin, und meine Arme fahren wie von selbst in die Ärmel, und der seidige Strick schmiegt sich weich wie Butter um meinen Körper und passt. Auch großartig. Ohne und besonders mit dem Apfelkleid.
Ich stehe und drehe mich vor dem Spiegel und zupfe hier und zupfe da, aber da gibt es nichts zu zupfen. Das Kleid und die Jacke sitzen wie füreinander und vor allem wie für mich gemacht.
Gut!, sagt Elke. Sie nickt anerkennend.
Nichts spricht gegen das Kleid, wie gesagt, außer dass ich gesagt habe, ich kaufe heute nichts. Fragt sich, wie ich aus der Nummer jetzt wieder rauskomme.
Du musst es nicht nehmen, sagt Elke. Aber es wäre schade. Morgen geht es weg, ganz sicher! Morgen ist verkaufsoffener Sonntag.
Ich stelle mir vor, wie amerikanische oder koreanische Touristinnen morgen den Laden fluten und mein Kleid überziehen und ihre Plastikkarte zücken und ohne mit der Wimper zu zucken ihren Pin eingeben für das wunderbarste Kleid der Welt.
Vorsatz hin oder her. Wenn ich jetzt nicht zuschlage, werde ich es nie mehr wiedersehen.
Ich brauche es nicht. Nicht wirklich. Außer vielleicht doch. Für die Einladung nächste Woche. Für den Urlaub. Es knittert ja nicht.
Ein richtiges Kofferkleid, sagt Elke. Wir nennen das so. Moni hat es übrigens auch. Ideal für die Reise.
Die Jacke, sage ich.
Nimmt kaum Platz im Koffer weg. Schau mal, wie leicht sie ist.
Pack beides ein, sage ich.
War ich das gerade?
Elke nickt. Ist sie überrascht? Nein, kein bisschen. Elke hat seherische Kräfte. Sie weiß es schon seit zwanzig Minuten.
Ich stehe vor der Kasse. Und auf einmal freue ich mich. Bald fahre mit meinem Liebsten nach Italien. Und das Kleid, das mit den Äpfeln, wird mein Urlaubskleid.