Donnerstag, Werl. Bin eine Stunde zu früh da und schaue mir das Städtchen und die Wallfahrtskirche an und besorge mir in einem Laden schnell eine neue Jacke, weil ich mir meine unterwegs verkleckert habe, bis es Zeit ist, die angegebene Adresse anzusteuern.
So ein Typ, als kenntest du ihn schon seit 20 Jahren. Na, ein bisschen ist es ja auch so: Seh ihn direkt morgens im Fernsehen, als ich mir die Wimpern tusche, und sag Hallo zu ihm, wir treffen uns ja nachher! Ein großer Erzähler vor dem Herrn. Wirft mir mit seinem Einstieg gleich mal mein Fragenkonzept über den Haufen, was aber nicht schadet, im Gegenteil. Ich bin gut vorbereitet, es kann nichts mehr schiefgehen. Die Gesprächsführung hole ich mir zurück. Ein saugutes Gefühl. Der hier vor mir sitzt, ist intelligent, vielseitig, ein kreativer Schnelldenker.
Nur einmal, als es ans Eingemachte geht, steht er auf und macht sich ewig lang an seiner Espressomaschine zu schaffen. Und redet dabei weiter, auf der Suche nach den richtigen Worten, immer auf der Hut, zu viel zu sagen, mehrmals muss ich nachhaken gegen den Widerstand der großen Gefühle, da ist ihm die Maschine eine willkommene Ablenkung. Leider steht er jetzt viel zu weit weg und setzt und setzt sich nicht mehr hin, und genau diese ganz wichtige Passage ist nun in der Aufzeichnung von einem sehr lauten, sehr nervigen Brummen unterlegt, keine Ahnung, wie ich das bei der Abschrift mache.
Ende April ist das nächste Interview. Das ist ein abenteuerliches Ding, was ich da mache. Wenn ich unterwegs bin zu meinen Gesprächspartner*innen, sind da immer noch diese Selbstzweifel: liege ich richtig mit meinen Einschätzungen und Vorüberlegungen, wie arbeitet diese Person, wie wohnt sie, lässt sie sich auf mich ein, das gehört alles zusammen, und wenn ich dann meinen Platz einnehme, habe ich schon so ein Gefühl, wie es laufen könnte, und heute, das habe ich gleich gemerkt, ist es richtig gut gelaufen.