Freitag. Ich ziehe mir jetzt schon ziemlich warme Sachen an und steige auf mein Fahrrad. Es ist ein in kühles Licht getauchter Freitagmittag, der jeden Zweifel daran nimmt, dass der Herbst da ist. Der Wind bläst mir ins Gesicht, das tut gut. Von den Bäumen fällt das gelbe Laub herab, wird von den vorbei rauschenden Autos aufgewirbelt und bleibt am Straßenrand liegen. Das helle Blau des Himmels ist wie mit einem Schleier bedeckt, der reicht bis weit ans Ende der Stadt.
Die Helligkeit spiegelt sich auf der Oberfläche wie auf einer Seifenblase. Ich stelle mein Fahrrad ab und gehe in die Post, wo die Menschen in einer langen Schlange bis zum Ausgang stehen. Die meisten dösen vor sich hin. Ich auch. Nach der Hektik des Vormittags drängt mich jetzt nichts mehr, bis zum Abend. Dann wird Herr B., mein Steuerberater, kommen. Da wird es wieder ungemütlich. Und danach beginnt der schönste Teil des Tages, die Textbearbeitung des letzten Interviews. Wenn ich daran denke, bin ich glücklich.
Ich bin mein Paket los. Eine Frau mit rot glänzenden Lippen eilt über die Straße. Ein Mann brüllt einem anderen Mann etwas in einer fremden Sprache zu. Seine Haare glitzern wie geölt. Ich kaufe Brot, Käse und Bananen bei Rewe. Vor der Unterführung steht ein Mann und blutet, andere stehen um ihn herum und reden aufgeregt durcheinander. An genau derselben Stelle hat mal ein Mann früh am Morgen Blut gespuckt, viel Blut. Das hat gar nicht mehr aufgehört. Der ganze Platz war voll mit Blut. Er ist danach gestorben, das hat mir T. erzählt. Daran muss ich eigentlich jeden Tag denken, wenn ich an der Stelle vorbeifahre.
Die Sonne kommt durch, und gleichzeitig fängt es an zu regnen. Ich bin froh, dass ich meinen Ledermantel anhabe. Mein Ledermantel ist aus dem Second Hand Shop und passt wie angegossen. Ein richtiger Glücksgriff war das. Manchmal, so wie jetzt gerade, stelle ich mir vor, in tausend Stücke zu zerspringen.
*Schreibübung nach “Kitchen” von Banana Yoshimoto, Diogenes, S. 195