Donnerstag. Wenn einer dir entgegenkommt in der Affenhitze des Mittags und den Kopf so wegdreht, dass du sein Genick praktisch knarzen hörst ( ich muss an Der Tod steht ihr gut denken, wo Maryl Streeps Kopf sich drei Mal um die eigene Achse dreht), wenn der so vollkommen interessiert die Auslagen eines Tabakladens begafft – sehr interessant, dieses Tabakschaufenster -, dann wendest du kurz mal dein Fahrrad, auf dem du gerade über die Neckarbrücke, Fußweg, rollst.
Hallo M., sage ich dicht hinter ihm, so muss das ja nun auch nicht. Als hätten wir uns nie. So was in der Art. Ich hab den ja jetzt schon sehr lange nicht mehr gesehen. Da steht er vor mir in gespielter Verpeilung: Ach, hallo, gar nicht erkannt, gar nicht gesehen, solche Sachen, wo du nur denkst, klar, Mann! Lügen war schon immer eine deiner leichtesten Übungen. So verkrampft und erbärmlich. Und dann weiß er nicht, ob er noch stehen bleiben muss oder weitergehen darf, und fragt, um diesen Augenblick mit was zu füllen, und hat den Kopf schon wieder halb abgewendet: Wie geht es dir?
Er guckt und guckt jetzt doch nicht mehr weg.
Das interessiert dich sehr, oder?, sage ich und gucke auch. Man ahnt ja gar nicht, was man da in den wenigen Sekunden alles sieht. Und dann habe ich keine Lust mehr, weil ich es kaum glauben kann.
Danach bin ich sehr fröhlich, obwohl ein Zahnarztbesuch und dann noch eine dreistündige Konferenz anstehen, und als die Konferenz vorbei ist, bin ich immer noch fröhlich. War auch nicht wirklich schlimm, weil ich neben Kollegin Bettina saß und wir uns viel zu berichten hatten, was die Sache sehr verkürzte, und ich denke jetzt die ganze Zeit, dass ich die Aufregung der letzten Jahre nicht mehr verstehe. Dass ich jemand anderes geworden bin.
Eine Begegnung wie ein Strich unter die Rechnung. Alles ist bezahlt. Nichts offen, nichts übrig. Kopf und Zahl! Alles ist genau richtig.
Und schönen Gruß an den verrenkten Hals…