Mittwoch. Heute was über Talahons / Talahinas gelernt. Zufällig zugeflogen. Und direkt Stundenthema. Austäusche, wie ich sie liebe.
Autor: Juliane Vieregge
Schmalztropfende Schnulzen
Mittwoch. Auf Social Media werden wir überschwemmt von seichten, sentimentalen Geschichtchen. Als Quelle wird gerne Netzfund angegeben, Autor bzw. Autorin unbekannt, vermutlich KI. Meine Schüler*innen erstellen ständig in wenigen Sekunden solche anrührenden Geschichten „auf Knopfdruck“, weil sie denken, dass ich es nicht merke. Ich merke es aber spätestens ab dem 2. Satz am unauthentischen, genormten Sprachduktus. Warum feiern Tausende solche schmalztropfenden Schnulzen, anstatt ihre Erfahrungen selbst in Worte zu fassen? Verlernen die Menschen so schnell, ihren eigenen Worten und Gefühlen zu trauen?
Save the Date 27.04.2025
Entwurf: Christiane Hemmerich
Noch ein Buch – Junge Texte aus Eisenach
Dienstag. Während kleine Fehlerchen und Korrektürchen in den Druckfahnen von Was wirklich zählt – 18 Mal Hoffnung in Krisenzeiten noch zwischen Verlag und mir hin- und herschwirren und ausdiskutiert werden müssen, steht gleichzeitig mein anderes Buchprojekt fast fertig da: Junge Texte aus Eisenach.
Ich bin nur die Herausgeberin. Es handelt sich um eine Textsammlung von jungen und sehr jungen Menschen, die ich derzeit in Deutsch und/oder Kreativem Schreiben unterrichte – also ein Zufallsprodukt. Aber ein sehr glückliches und gelungenes, wie ich finde.
Die Texte meiner 33 Jungautor*innen habe ich über die letzten eineinhalb Jahre gesammelt, korrigiert, lektoriert und eingegeben / abgetippt. Aus gutem Grund: Ihre unprätentiöse, direkte Sprache zielt direkt ins Herz. Das hier ist kein Mitleidsprojekt! Eher ein Integrationsprojekt. Oder einfach ein literarisches Projekt. Die spannenden, berührenden, aufschlussreichen Texte überzeugen aus sich heraus.
Angefangen haben wir mit der Beschreibung eines Lieblingsgegenstandes. Dann kamen Kurzgeschichten zum Thema „Eingesperrt“ oder „Nachts ändere ich mein Leben“ dazu (alles Ideen der Schüler*innen). Es folgten Geschichten über Liebe, Mord und viel Geld. Am Ende stehen z.T. schockierende, in jedem Fall bewegende Erfahrungsberichte aus harten Lebenssituationen.
Einige meiner Jungautorinnen stehen nicht gerade auf der Sonnenseite des Lebens. Obwohl zum Teil ganz schön auf sich allein gestellt, sind sie alle ohne Ausnahme großartige, liebenswerte Persönlichkeiten geworden.
Vor eineinhalb Jahren standen wir uns zum ersten Mal gegenüber. Und waren, milde gesagt, irritiert voneinander. Offenbar war meine Art, Literatur im Deutschunterricht zu vermitteln, anders als das, was sie gewohnt waren. Manche Schüler*innen hielten mich gar für eine Therapeutin! Und ich hatte noch nie an einer Regelschule unterrichtet. Zeitweise fühlte ich mich direkt in das Filmset von Fack ju Göhte gebeamt. Doch Widerstand hat mich schon immer zu ganz neuen, individuellen Zugängen herausgefordert. Ziemlich schnell kam bei mir die Idee mit dem Buch auf: Ich hatte plötzlich so eine Vision, wie diese Jugendlichen ein Buch mit ihren eigenen Texten in den Händen halten.
Als ich sie zum ersten Mal mit meiner Idee konfrontierte, stieß sie bei ihnen auf totale Ablehnung! Eine rannte sogar türenknallend aus dem Raum. Ein Buch? Wozu das denn?
Aus Erfahrung wusste ich, manche Ideen muss man behutsam und immer wieder von Neuem streuen. Ich ließ nicht locker. Dann fingen sie an, mir erste Texte hinzulegen. Zögerlich, verschämt, oft ohne Namen. Nach wenigen Wochen lag ein ansehnlicher Stapel bei mir zuhause im Regal.
Sie waren gut, und das sagte ich ihnen. Manche reagierten vollkommen überrascht: Echt? Mein Text gut? Wieso das denn? Ist doch einfach nur ein Text …
Natürlich kann im Kontext des Schulunterrichts nicht so intensiv an Texten gearbeitet werden wie es etwa in einer Kreativen Scheibwerkstatt möglich wäre. Doch die Ergebnisse können sich sehen lassen. Inzwischen stehen fast alle zu ihrem vollen Namen unter ihren jeweiligen Beiträgen. Sie haben sich enorm entwickelt. Im Schreiben sind sie über sich selbst hinausgewachsen. Das zu beobachten, ist wunderschön.
Das Projekt Junge Texte aus Eisenach ist für mich das absolut Gute. Niemand bereichert sich daran, es gibt keine unlauteren Absichten. Viele Menschen helfen viel, um den Buchpreis niedrig zu halten. Der Verleger Johannes Bucka von Stellaplan ist bereit, mehrere Tage und Wochenenden in die Planung zu stecken. Die Tübinger Grafikdesignerin Christiane Hemmerich übernimmt kostenfrei das Layout und die Covergestaltung – wie wunderbar ist das denn? Der Kunstverein Eisenach unterstützt uns bei den Druckkosten mit der genialen Idee eines Crowdfundings, und ich verzichte auf ein Autorenhonorar. Damit bekommen wir den Preis für das Buch so weit runter, dass es hoffentlich auch gekauft wird.
Die 33 Jungautorinnen freuen sich schon auf den Tag der Veröffentlichung. Ich stelle mir eine feierliche Übergabe vor. Sie und ihr Buch sollen wertgeschätzt werden. Dafür laufe ich mir gerade die Hacken ab und ernte superpositive Resonanz, etwa beim Treffpunkt Demokratie und beim o.g. Kunstverein Eisenach. Auch eine Lesung in der Eisenacher Stadtbücherei ist in Planung. Für die Feier benötigen wir noch einen Raum, mietfrei natürlich. Da stehen noch einige Gespräche und Treffen mit potentiellen Supportern und Sponsoren an. In Eisenach gibt es ein weitgespanntes Helfernetz, kein Wunder, es gibt ja auch verdammt viele Kids, denen es wirklich nicht gut geht.
Das Buchprojekt hinterlässt Eindruck. Es gibt tatsächlich nichts Vergleichbares. Ich schleppe das Manuskript überall hin mit, aber noch ist es geheim. Bevor ich nicht von allen 33 Jungautor*innen die elterliche Einwilligung zur Veröffentlichung habe, geht gar nichts. Die Einwilligungen alle zurückzubekommen, das ist momentan die eigentliche Hürde …
Jetzt erst verstehe ich selbst die Gleichzeitigkeit: Junge Texte aus Eisenach ist das, was mir Hoffnung macht. Es ist mein Hoffnungsprojekt …
Kein Frauentag für alawitische Frauen
Das Massaker an Alawiten in Syrien ist unbeschreiblich.
Besonderes Feindbild sind den Al-Qaida-Terroristen die Frauen: Alawiten leben die Gleichberechtigung der Geschlechter – eine Provokation in den Augen ihrer Mörder.
Erdogan unterstützt seinen neuen best Buddy Ahmad Al-Sharaa. Wir erfahren es aus FB, die offiziellen Medien schweigen zu dem Thema oder verharmlosen es. Lieber scharwenzeln unsere Politkerinnen (!!!) und Politiker um den vorgeblich Geläuterten ehemaligen Al-Qaida-Kämpfer, der ihnen aus irgendwelchen undurchschaubaren Gründen moralisch unverdächtiger erscheint als der geschasste Assad.
Insider wie Hamed Abdal Samad (ägypt.-dt. Politikwissenschaftler) und Ali Ertan Toprak (CDU-Politiker türk.-kurdischer Herkunft) warnen unsere Politiker*innen mit Informationen aus 1. Hand. Egal. Die Realtiät passt nicht ins ideologisch verzerrte (Selbst)bild unserer Think-Tanks-gehirngewaschenen Obergurus.
und hier: alle abgebildeten Frauen sind tot
und so weiter und so weiter … Niemand kann behaupten, nichts zu wissen.
Arbeitsfront
Mittwoch. Um vier Uhr in der Frühe fertig mit der Nachkorrektur der Druckfahnen. Ins Bett gefallen, wirre Wachträume, um sechs der Wecker, zur Sicherheit zweifach, und ab zur Arbeit.
Korrekturen heute abschicken, wieder warten …
Nun darf das Buch wirklich rauskommen.
Reichtum
Sonntag. Seit 2 Tagen sind das Tchen und das Lchen bei uns. Spielen, kochen, stadtbummeln, malen, singen, im Glaszentrum Lauscha den Glasbläsern zuschauen und eins oder mehrere Andenken im Laden aussuchen, die beiden bei der Qual der Wahl unterstützen, Geschichten erzählen und Geschichten lauschen, das Lachen, Streiten und Versöhnen, die Ängste und Erfolge und nicht immer schönen Erfahrungen von einem 8- und einem 9-Jährigen anhören, nur begrenzt eingreifen können, das aushalten und immer wieder von Neuem akzeptieren lernen und eine tiefe und unerschütterliche Liebe spüren – jede einzelne Minute ist mir dieses absolut reine Gefühl von Fülle und Dankbarkeit ein Geschenk.
Ich denke doch, …
… die Mehrheit der Bevölkerungen in Europa ist gegen Aufrüstung zu Lasten ihrer eigenen sozialen und wirtschaftlichen Bankrotts?
Ich wundere mich über Leute, die vom Fernsehsessel aus den Krieg gegen Russland befeuern, nur weil ihre eigenen Kinder und Ehemänner und Väter nicht betroffen sind. „Lieber tot als rot“ – die Opa-Diskussion hatten wir schon in einem anderen Äon.
Undankbar
Freitag. Bemerkenswert: Trump wirft Selelnski Undankbarkeit vor.
Seit drei Jahren jeden Morgen die erste Meldung auf dem Bildschirm: „Selenski will!“
Am Anfang stand eine Lieferung Helme, zum Schluss war es der Taurus. Von der immensen humanitären Hilfe spricht ja schon niemand mehr …
Selenski in seinem ikonischen Khakipullover, als käme er direkt von der Front, lässt den gastgebenden US-Präsidenten nie ausreden. Sein Auftritt eine diplomatische Katastrophe; die ukrainische Botschafterin bricht in Tränen aus. Jeder mache sich selbst sein Bild …
Kriegstrunken
Donnerstag. Der Ausgang der Neuwahlen überrascht ja so wenig wie die morgendliche Anzeige der WetterApp. Überraschend ist eher, dass fast 21 % Blauwähler*innen bei den Altparteien null Lerneffekt erzeugen.
Beschränkten sich deren Vertreter*innen im Wahlkampf argumentativ im Wesentlichen auf Blauwählerbashing, bleiben sie nach der Wahl an ihren Sitzen kleben, als hätte das alles nichts mit ihnen zu tun. Allen voran Esken, Klingbeil, Baerbock …
Laut der noch amtierenden Außenministerin hat die Bundesregierung in den letzten Jahren 37 Milliarden Euro an die Ukraine überwiesen für die Fortführung eines ganz offensichtlich nicht gewinnbaren Krieges. Dafür hat sie bei Kindern, Bildung und Bahn gekürzt. Woher werden wohl die jetzt geplanten 700 Milliarden Euro genommen, die die Kriegsbesoffenen in der EU an Kiew schicken wollen?