Auto zu verschenken

Montag. In meinem Alter den Eltern des Liebsten vorgestellt zu werden, ist schon,sagen wir, lustig.

Wenn es sich bei dem neunzigjährigen Vater um einen krachimpulsiven, hellwachen Geisteswissenschaftler handelt, ehemals Schulleiter und leidenschaftlicher Germanist, dann ist das aber nicht nur eine lustige Angelegenheit, sondern auch eine Herausforderung oder sogar Anstrengung.

Wenn die neunundachtzigjährige Mutter zu dem Anlass einen Streuselkuchen backt und Kartoffelsalat mit Würstchen macht und den Tisch deckt und den original Born-Senf dazu stellt und ihren Sohn anguckt und sagt, schade, dass er sich immer alle seine Haare abrasiert, er hatte doch mal so schöne Haare!, dann ist das nicht lustig (oder nur ein ganz kleines bisschen) und nicht herausfordernd und auch nicht anstrengend, sondern ganz furchtbar berührend.

Wenn der Vater vom Mittagschläfchen zurückkommt und statt zu schlafen den Cherryman jagt Mister White von Jakob Arjouni schon zur Hälfte durchgelesen hat, den ich ihm gerade erst mitgebracht habe, und damit herumfuchtelt wie mit einer Waffe und von der Doppelbödigkeit dieses leider schon verstorbenen Erzählers so begeistert ist, dass er das Buch am liebsten tout suite in der Schule durchnehmen möchte, dann ist das inspirierend.

Wenn die Mutter sagt, ich habe mir ein Betreutes Wohnen angeschaut, da hätten wir nur zwei Zimmer, und das geht ja nun überhaupt nicht!, dann ist das immer das gleiche ungelöste Problem.

Wenn der Vater mich ansieht und schweigt und mich wieder ansieht und plötzlich zu mir sagt: Ich schenke Ihnen mein Auto, was sagen Sie jetzt?, dann sage ich erstmal: Danke schön! – weil ich ihm nicht zutraue, dass er das gerade ernst gemeint hat. Wie oft ist Ihnen das schon passiert, dass einer Ihnen ein Auto schenkt?, hakt er nach und freut sich diebisch, denn das ist ihm klar, dass er der Erste Autoschenker in meinem Leben ist. Ich frage: Seit wann ist das Auto denn abgemeldet?, da schreit er: Abgemeldet, wieso abgemeldet, damit fahre ich ja noch rum!, und starrt mich so wütend an, dass ich denke, wie gewonnen, so zerronnen, jetzt gibt er es dir bestimmt nicht mehr, sein Auto.

Er sagt auch noch: Ich vertraue nämlich meinem Sohn. Und das ist dann noch schöner als das geschenkte Auto.

Wenn es August wird, dann wird der alte Schulleiter also die fünf Stockwerke hinunter in seine Garage steigen und ein paar Runden in seinem Auto mit mir drehen, durch die Straßen von Eisenach. So machen wir es jedenfalls aus.

Und danach sehen wir weiter.