Lass uns über den Tod reden – in Villigst

Die Tagung Ars moriendi – ars vivendi: Die Zukunft der Hospizarbeit am Wochenende in der Ev. Akademie Villigst brachte nicht nur inhaltlichen Input, sondern vor allem spannende Begegnungen.

Am Freitag Nachmittag machte Henning Scherf den Auftakt (Fortgeschrittenen-WG). Abends sprachen der ehem. EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider und seine Frau Anne Schneider über den frühen Krebstod ihrer Tochter (im Wechsel Tagebucheinträge und theologische Reflexionen: eigene oder Bonhoeffer-Zitate, von dessen Mannhaftigkeit in Sachen Leiden sich die Schneiders vorsichtig distanzierten, was ich sehr sympatisch fand). Am Samstag zwei wirklich tolle Veranstaltungen von Udo Baer, dem Begründer der Zukunftswerkstatt therapie kreativ, mit dessen Ansatz ich mich noch weiter beschäftigen werde. Thema: Die Bedeutung von Kriegstraumata am Lebensende. Seine Ausführungen und Beispiele lösten bei uns Teilnehmer*innen viele Aha-Erlebnisse aus, weil die Traumatisierung der Generation unserer Eltern spürbar nachwirkt und auch bei uns als Folgegeneration – unbeabsichtigt und ungefragt – noch fortwirken kann.

Abends war ich an der Reihe. Nachdem ich realisiert hatte, dass die Tagungsteilnehmer*innen zum überwiegenden Teil Profis aus dem Bereich Sterbebegleitung / Hospizarbeit waren, der Tod also zu ihrem Alltag gehört, änderte ich das erste Drittel meines Vortrags Mit dem Reden fängt es an. Dass er gut aufgenommen wurde, erleichterte mich sehr. Damit hat das neue Buch das Licht der Öffentlichkeit erblickt, bevor es auf dem Markt ist. Für Lesungen in Buchhandlungen sollte die Choreographie allerdings noch etwas variiert werden.

PM war auch gekommen, schon am Freitag Abend wg meines Geburtstages, und akklimatisierte sich schnell an das theologische Umfeld, das ihm als Mediziner eher fremd ist. Abends in der Cafeteria lebhafte Diskussion mit den Schneiders. Sie kommt aus der feministischen Theologie, ist impulsiv und emotional, er ein souveräner Redner und Vollbluttheologe. Beide megasympatisch und offen.

Tags zuvor war der achtzigjährige Scherf zu Fuß vom Bahnhof Schwerte zur Tagungsstätte gekommen, was mich motivierte, am Samstag Mittag schnell mal nach Schwerte reinzulaufen: Kleines Ruhrpottstädtchen, ähnlich wie Kamen, ich fühle mich da sofort zuhause.

Heute vor der Heimfahrt noch einen Abstecher gemacht: Mutterbesuch. Ich habe meine Mutter interviewt, wie sie den Tag der Kapitulation erlebt hat, und ob/wie sie im Krieg ihre Geburtstage gefeiert hat. Womit ich einen Tipp von Udo Baer direkt umgesetzt habe: Nicht nach dem Krieg fragen, sondern Detailfragen! Es funktionierte. Wir kamen ins Gespräch, und ich erfuhr Dinge, die ich noch nie zuvor gehört hatte. (Wie unendlich schade, dass ich mit meinem Vater nicht annähernd so weit gekommen bin.) Deswegen war ich auch glatt bereit, ihren letzten Satz – in Richtung des gerade eintretenden Pflegers – zu überhören: „Das ist meine Tochter. Sie versucht seit Jaaahren, schlank zu bleiben.“ Ah ja!

Abends mit dem Zug zurück nach T., zurück in den Alltag, in die Vorbereitung fürs „Amt“, in die Gewohnheit nach einem ungewöhnlichen Wochenende.