Samstag. „Dichter findet klare Worte“, titeln die Dresdener Neue Nachrichten am 7. Oktober 2016 und können das – hoffentlich – nur ironisch gemeint haben. Denn der 79-jährige Liedermacher Biermann hat gegenüber dem RND (RedaktionsNetzwerk Deutschland) verlauten lassen, Snowden sei ein Feigling.
„Ein Held wäre er, wenn er den Mut gehabt hätte, in der USA zu bleiben.“ Es sei tausend Mal besser, in der Demokratie im Gefängnis zu sitzen, „als sich in der Diktatur den Arsch pudern zu lassen“. Die unvollkommenste Demokratie sei tausend Mal besser als die vollkommenste Diktatur, meinte er in Anspielung auf Snowdens Exil in Russland.
Dem RND sagte Biermann, dessen Autobiographie am Sonnabend (8. Oktober) erscheint: „Snowden hätte ein Kerl sein müssen und nicht eine Flasche, die sich in eine Diktatur rettet, zu Putin, da lachen ja die Hühner!“
Okay, dann ist ja alles klar. Biermann will seine Lebensgeschichte versilbern, und da könnten ein paar Provo-Brocken tatsächlich hilfreich sein, denn mal ehrlich, wer sollte sich das Ding reinziehen? Die, die ihn vor ganz langer Zeit mal toll fanden – ich zum Beispiel – sind nur noch entsetzt über sein zunehmendes Waten im braunen Sumpfe. Die, die ihn nicht kennen, und das sind inzwischen viele, wollen über den alten Mann nun auch nichts mehr erfahren, und die, die ihn nie mochten, entfallen sowieso. Es sei denn, sie besorgen sich die Schwarte, um sich lustig zu machen, wie seinerzeit über die schwanzgesteuerte „Biographie“ eines Dieter Bohlen (der deshalb heute von sich behauptet, einer der meist gekauften (!) deutschsprachigen Autoren zu sein!)
Falls Snowden von Biermanns Auslassungen erfahren sollte – wird er aber nicht -, wird er sich verwundert die Augen reiben: „Who the fuck is Biermann?“
Inhaltlich auf den Liedermacher einzugehen, verbietet sich von selbst. Denn wirklich: Wer ist Biermann, um von einem Weltaufklärer wie Snowden einzufordern, sich den US-Gerichten zu stellen, die vielleicht sogar die Todesstrafe über ihn verhängen würden? Die Tatsache, dass Snowden immer noch in Russland festhängt und nicht in Ehren in Berlin oder London oder Paris oder Madrid aufgenommen wird, dass er wieder nicht für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen war (wie uns Angie), ist eine Schande für alle europäischen Regierungen.
Keiner ist bereit, Snowden Sicherheit zu geben. Ja, wenn Biermann sich darüber aufgeregt hätte – aber dazu fehlt es ihm an Größe.