Dienstag, Follonica. 20 Jahre lang mit einem Borderliner zusammen, da driftest du zeitweise selber vom Weg des Gesunden, Normalen ab. Genau so. Weil dir die Maßstäbe abhanden kommen.
Was ist schon normal?, war seine Lieblingsfrage. Die mich todsicher und jedesmal wieder zur Verzweiflung brachte. Ja, das weiß der Borderliner nicht. Mit einer totalen, totalitären Selbstsicherheit macht er sehr häufig und in vielfacher Hinsicht sehr viele seltsame/nicht normale Dinge.
Die Realität ist dem Borderliner keine feste Größe, sondern Knetmasse, die er nach seinem momentanen Interesse auseinanderzieht, zusammendrückt oder platt haut. Es gilt kein ethisches System, keine Verlässlichkeit, kein Versprechen. Keine Moral. Alle die kleinen Spießer, die ein Problem damit haben, bekommen es mit ihm zu tun. Sein Selbstbewusstsein im Verkneten von anerkannten Gültigkeiten verwirren den/die Anderen umso mehr, je mehr sie sich auf ihn eingelassen haben.
Zu diesem Zweck ist der Borderliner ein Meister in der Kunst der Täuschung, der Manipulation. Er schafft es immer, sein Gesicht zu wahren. Er weiß, wie die Anderen ticken. Er schafft es immer, den Anderen als den Dummen dastehen zu lassen.
Und als ihm die Maske vom Gesicht fiel, als ihm die Energie und der Charme ausgingen, als das Konstrukt zusammenkrachte und er untergetaucht ist wie einer, der mal eben Zigaretten holen geht, als das ganze Ausmaß von Täuschung und Doppelleben offenbar wurde, da verlor ich meine Orientierung.
Was davon zurückgeblieben ist: Wenn mich einer anlügt, sehe ich rot, damit kann ich nicht mehr umgehen. Im Klartext: Verarschen, auch auf niedrigem Level, ist für mich kein Kavaliersdelikt (mehr).
Davon, von dem allem, jetzt einem Außenstehenden, Unbeteiligten, einem integeren Typen zu erzählen, der ein paar Dinge über dich wissen will, von deinen eigenen Beschädigungen, die du zugelassen hast, ist scheißschwer.