Dienstag. Die Frau ist fürs Verpacken da. Bei Fragen weist sie lächelnd auf ihre Kolleginnen vom Verkauf. Sie überragt sie alle, ihre kunstvolle Flechtfrisur passt irgendwie nicht zu dem engen Kaufhauskleid, das viel über ihre Anpassungsbereitschaft aussagt. Das mit dem Verpacken klappt noch nicht so richtig. Ich halte den Finger aufs Papier. Dannge!, sagt sie und lächelt ein Lächeln, das sogar die LED-Leuchten im Laden überstrahlt. Dass das Paket schief wird, ist nach der ersten Umwickelung absehbar. Mit einem Handzeichen demonstriere ich ihr, dass die Schnittkante parallel zur Seitenkante liegen muss. Wieder lächelt sie, wickelt das Paket aus und wieder ein. Beim Fixieren mit Tesa halte ich die Seitenumschläge fest. Dannge. Das erste Paket ist nun fertig, doch als ich danach greifen will, reißt sie die Augen auf und signalisiert mir per Zeigefinger vor meiner Nase, dass sie noch keineswegs soweit ist. Zuerst wird das zweite Geschenk verpackt. Das geht schon deutlich besser, ihre eleganten Hände berühren imitierend die Schnittkante und sie lacht eingeweiht. Nun liegen beide Pakete da. Sie betrachtet das weihnachtliche Dekor auf dem Papier. Entrollt zögernd das bordeauxrote Band, das auf dem Tisch bereitliegt, und rückt mit vielen, kleinen Handbewegungen das erste Paket darauf zurecht. Schon will ich den Finger auf den Knoten drücken, da überlegt sie es sich anders. Sie öffnet die Schublade unter dem Tisch, und eine bunte Blumenwiese von Geschenkbändern kommt zum Vorschein. Konzentriert sieht sie alle Rollen durch, nimmt eine nach der anderen raus, überprüft mit den Fingerspitzen die Oberfläche, hält verschiedene Farben an das Papier, entscheidet sich schließlich für ein hochglänzendes Rot.
Das ist schön, sage ich. Sie hört mich nicht, sie ist voll bei der Sache. Ich spüre, neben meiner Faszination, plötzlich körperlich meine Deformation. Das Angemessene, Normale, Menschliche, das darin liegt, sich von Farben und Fülle berauschen zu lassen. Nur meine seit Jahrzehnten auf Effizienz getrimmte Reaktion steht dagegen. Die wird sie in wenigen Monaten übernommen haben, wenn sie den Job behalten will. Wird sich keine Zeit mehr nehmen, die Bänder ans Papier zu halten, um die Komposition auf sich wirken zu lassen. Wird sich an die Fülle gewöhnen und automatisch nach dem Richtigen greifen und wenn nicht, auch egal, Hauptsache schnell. Vielleicht wird sie in den Verkauf aufsteigen und ihren Kindern beibringen, nicht so rumzutrödeln. Keine Zeit zu verplempern. Lieber zack zack!, dann klappts auch in der Schule und in der Ausbildung und im Beruf: Dann habt ihr es geschafft und seid genauso dressiert wie die weißen Affen hier, die uns zeigen wollen, wo es langgeht.