Freitag. Zwischen den Jahren diese Tage sind von einem rasenden Wechsel von großartigen und abgrundtief melancholischen Momenten gekennzeichnet. Jubeln und Abkotzen liegen direkt beieinander, der Umschwung passiert oft schneller, als du gucken kannst. Zum Glück überwiegen die großartigen Momente. Betrachte ich den heutigen Tag, komme ich zu dem Ergebnis, dass das vor allem an unserer komplizierten, aber eben auch inspirierenden, weil lernfähigen Patchworkfamily liegt.
Zwei Ex-Ehemänner meinerseits, der eine familiär präsent, der andere nurmehr als Schatten, mein höchst präsenter Lebenspartner PM, Tanten, Schwägerinnen, Cousins, Nichten & Neffen sowie Großeltern im Viererpack machen die Sache dermaßen unüberschaubar, dass die Energie für Eifersüchteleien & Animositäten sich längst erschöpft hat. Mein Vorschlag, im nächsten Jahr alle zusammen zu feiern, wurde mit erstaunlicher Gleichmut aufgenommen – vielleicht wegen der schier unlösbaren Frage: Wo hört die Kette neuer Familienmitglieder denn auf?
Expartner*innen und Neue wollen noch oder wieder gelitten sein, da ist es einfacher, wenn alle sich irgendwie mögen (mit einer Ausnahme). Und wenn die Mitglieder einer containernden Ersatzfamilie auch irgendwie dazugehören und ein Transgender samt einem dank medizin-technischem Fortschritt entstandenen Kind sich nicht mehr vor anspielungsreichen Fragen und vielsagenden Blicken fürchten müssen, dann macht mich das auch ein bisschen stolz. Die Fragen drehen sich heute eher um Backrezepte als um Genetik, und wo früher atmosphärische Störungen das Beisammensein beeinträchtigten, ist jetzt soviel Harmonie, dass man sich erstaunt in die Wange zwickt.
Erklärungen können, müssen aber nicht geliefert werden. Die Familie hält einiges an Buntheit bereit, inzwischen ohne zu murren. Wer hätte das gedacht? Den Ruhrpottlern und den Schwaben tut die kräftige Prise Frankfurt, Köln und Italien richtig gut. Das neue Baby wird wahrscheinlich dreisprachig aufwachsen. Soll ich mich darüber aufregen? Das habe ich schon – meine pädagogischen Erfahrungen in die Waagschale werfend – und nichts erreicht. Es wird zurecht kommen, irgendwie. Und jetzt bitte noch ein Stück von diesem herrlichen Apfelkuchen, liebe Ex-Schwägerin. Das neue Jahr rückt an …