Sonntag. Fast acht Jahre alt. Passt noch …
Kategorie: 2024
Oups!
Während man in den Niederlanden, Ungarn, den USA mit Ablehnung auf den fragwürdigen Haftbefehl (21.11.2024) des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag gegen Netanyahu reagiert hat, fällt Annalena Baerbock nichts Besseres ein als den Vorgang ausdrücklich zu begrüßen.
Welches jenseits aller politischen Vorstellungskraft liegende Bild gäbe Deutschland für die Welt ab, wenn der israelische Ministerpräsident ausgerechnet auf dem Berliner Flughafen verhaftet und abgeführt würde?
Vor zwei Tagen schwadroniert die Außenministerin mit dem Wording einer Zehntklässlerin vom Einsatz deutscher Soldaten in der Ukraine (während ukrainische Wehrpflichtige sich nach Deutschland absetzen) und von neuen Milliardenspenden für den endlich fälligen Sieg gegen Russland. Da legt der Kanzler dann doch sein Veto ein: Die Außenministerin habe nur nicht Ja oder Nein sagen wollen, relativiert er reichlich unglaubwürdig.
Noch auf der letzten Strecke ihrer Albtraumamtszeit sorgt die Erfinderin der feministischen Außenpolitik, deren Herz nicht für die revoltierenden iranischen Frauen schlägt und auch nur ein sehr kleines bisschen für die israelischen Geiseln, regelmäßig für Grauen. Manchmal, wenn ich wieder so eine dieser unsäglichen Schlagzeilen aufschnappe, obwohl ich sie gar nicht aufschnappen will, denke ich, die quatscht uns noch in den 3. Weltkrieg rein. So, oups? Wollte ich garnich.
Kann nicht einfach mal einer die Mikrophone abstellen?
Kuschelkurs mit Islamofaschisten
Freitag. PMs syrischer Kollege M. ist entsetzt über das Narrativ westlicher Leitmedien, was Syrien und ganz aktuell die Bewertung der Islamistischen „Rebellen“ angeht.
Wieso „Rebellen“? Wieso „Aufständische“? fragt er aufgebracht. Das HTS-Bündnis seien einfach nur brutale Terroristen, hervorgegangen aus dem IS bzw. Al-Quaida. Mit Demokratie haben sie aber auch gar nichts am Hut, Grundlage ihres radikalislamistischen Staatsmodells ist die Scharia.
M. kann die Wahrheitsvereinnahmung der selbsternannten Expert*innen nicht mehr ertragen. So gut wie niemand hier in Deutschland wisse wirklich, was in Syrien passiert. Die Lage sei so komplex, dass es selbst Syrern schwerfällt durchzublicken. Die sog. Rebellen werden u.a. von Erdogan gesponsert. Erdogan erhofft sich eine Niederschlagung der Kurden, die ein eigenes Staatsterritorium für sich einfordern. Die Kurden werden von Assad geschützt. Das westliche Narrativ speise sich aus rein geopolitischen Interessen: Putin als Verbündeter Assads könne nur heißen, Assad muss weg! Und sei es eben mit Hilfe der „Rebellen“.
Jeder konnte sich gestern von diesem ideologischen Rumgeeiere in Dunja Hayalis ZDF-Morgenmagazin überzeugen: Die Journalistin verharmlost den aggressiven Einmarsch der bis an die Zähne bewaffneten IS-Terrortruppe: Sie seinen „zwar Islamisten“, ABER sie seien offen für christliche und jüdische und alewitische Minderheiten in Syrien.
Wer’s glaubt. Assad entstammt einer alawitischen Familie. Den Alawiten wird die Rache der Rebellenfreaks als Erstes gelten, weshalb sie bereits massenhaft die Flucht außer Landes antreten.
Der Kuschelkurs mit islamistischen Terrorgruppen wird uns noch auf die Füße fallen. Pro-terroristische Jubeldemos wie gestern in Düsseldorf sind ein Vorgeschmack.
Wenn Assad fällt, dann Gnade uns Gott, was mit Syrien passiert, sorgt sich M. Er ist genau vor diesen „Rebellen“ nach Deutschland geflohen, doch seine Familie und sein Herz sind in Syrien.
„Die HTS (Hayat Tahrir al-Sham) ist die führende Organisation in der Provinz Idlib, die unter dem Schutz der Türkei steht. Sie ist radikalislamisch und ein Abkömmling von Al-Kaida, von der sich ihr Führer Abu Mohammed al-Jolani jedoch losgesagt hat. Sie stilisiert sich nun als syrisch-national und verbreitet beruhigende Botschaften an alle religiösen Minderheiten und die Kurden. Der ganze Raum Aleppo, Hama und Homs ist stark multikonfessionell, viele dort haben Angst vor Islamisten. …“ (Der Standard, 6.12.24)
Müde
Mittwoch. Nach der Arbeit sooo müde! Zu müde zum Weiterarbeiten am Manuskript. Allmähliche Panik wg. der Deadline.
Was ist besser, den Kürbis andünsten oder im Backofen garen? Kürbissuppe auf Vorrat …
Diskussion
Dienstag, Lehrerzimmer. Ist Dubai-Schokolade von Aldi kulturelle Aneignung?
Abgabe
Montag. Letzter Durchgang durch das komplette Manuskript. Am 31. Januar ist Abgabe. Wann tritt eigentlich mal der Zustand ein, dass du dich zufrieden zurücklehnst und nichts mehr an deinen Sätzen schrauben, verschieben, streichen, optimieren willst? Gibt es den überhaupt, oder widerspricht er dem künstlerischen Prinzip der permanenten Selbstkritik?
Beim MoBi bei Claus beschließen wir, alle zusammen im Frühjahr zu Lisa Eckhart zu gehen. PM sieht sie schon morgen, in Koblenz. Bin ein bisschen neidisch, muss aber morgen arbeiten.
Die Ästhetik des Widerstands
Sonntag. Mit zugewandten, interessanten und interessierten Menschen zusammenkommen – ich lechze nach Input, nach lebendigem Austausch, Gedankenexperimenten, Höhenflügen, Visionen. Nach Menschen, die vorbehaltlos mit mir was anfangen können (ohne: Ach, du bist aus dem Westen?) und ich mit ihnen. Und plötzlich finde ich mich genau unter solchen Menschen wieder. Was eben aus so einer Einladung zum Gänsebratenessen in einen Landgasthof im Westerwald werden kann.
Die Gruppe trifft sich schon seit mehreren Jahren, und jetzt gehören wir, PM und ich, auch dazu. Einfach so. Ohne Anstrengung, ohne Aufregung.
Ich werde mich an dieser Stelle nie mehr über ein marodes, menschenfeindliches Schulsystem auskotzen. Denn ich weiß seit gestern, dass ich in allen meinen Wahrnehmungen richtig liege. Und dass sich nichts ändern wird. Die Gründer einer Lehrerfortbildungsstätte sind auch da, sie hören mir zu, ordnen meine Erfahrungen ein, ziehen eine ziemlich bittere Bilanz. Die in den frühen 2000er-Jahren erfolgreiche und ergebnisorientierte Einrichtung ist nach ihrem Weggang zu einem Rumpf verkommen, der den Schulen und Behörden nicht länger auf die Füße tritt. Im Gegenzug wollen die auch nichts mehr, entwickeln sich zurück zu dem repressiven, Menschen vergeudenden (jede Menge Schulabbrecher!) Schrei- und Strafsystem, wie ich es kennengelernt habe. Keiner will was vom anderen und bloß keine Reformen! Wer die Ruhe stört, wer Erwartungen weckt, wird geghostet. Jetzt kann ich dieses Verhalten zuordnen.
„Versuche nie die bestehenden Normen zu ändern“, hat mich vor einem Jahr eine kluge Frau gewarnt, die von außerhalb kam und sofort die Strukturen erfasst hatte.
Peter Weiss hat den Begriff von der Ästhetik des Widerstands geprägt. Arbeiten an meinem bescheidenen Platz, so gut wie ich es kann, auch mal etwas mehr als die reine Unterrichtszeit investieren, SuS ernst nehmen und ihre Menschenwürde achten – das ist meine sehr ästhetische Form des Widerstandes.
Beim Frühstück, bevor alle wieder nach Hause fahren, werden Daten ausgetauscht und gegenseitige Einladungen ausgesprochen. Ich bin dabei.
Satireclown, der den Mainstream verteidigt
Donnerstag. … da will ich einfach nur abhängen und glotzen und lande beim ZDF und der Aufforderung, mich überraschen zu lassen, was ja irgendwie danach klingt, dass mir nicht gleich die Augen zufallen. Und dann bleiben sie vor Schreck offen, denn Softclown Böhmermann verbrät seine eigenen Zuschauer*innen zu unfreiwilligem Kandidatenmaterial, die das aber gar nicht lustig finden wollen. Sieht der das nicht? Aber doch! Darum gehts ja im Schadenfrohfernsehen.
Die werden jetzt mit ihren zum Teil recht intimen Netzhinterlassenschaften konfrontiert, ausgebreitet vor einem wirklich weltweiten Publikum mit eingespielten Gesichtern der Verarschten, um sie wie ein nasses Handtuch bis zur letzten Lachträne auszuwringen.
Ein Satiriker, der harmlose bzw. vollkommen unschädliche Leute bloßstellt – wer braucht den denn? Geben politische Lage und schwachköpfige Politiker*innen so wenig her, dass er nach unten treten muss? Wie doof sind wir, darüber zu lachen?
Was ist die Moral hinter der Geschichte? Poste nichts mehr, sonst fällt JB über dich her?
Der Hofnarr, der seine Zuschauer*innen zu Gehorsam und Vernunft in Sachen Datenschutz ermahnt, ist so langweilig, so gottverdammich risikofrei, dass es schon shocking ist. Vergessen die Zeiten, als Böhmermann über den türkischen Diktator Erdogan lustige Liedchen schrieb. Also über Täter. Heute zerrt er lieber seine Kritiker vors Gericht und zeigt sich als unnachgiebiger Verfechter der eigenen Hoheit. Da versteht der Spaßvogel gar keinen Spaß. Wer nicht für ihn ist, gehört ausgegrenzt, Meinungsvielfalt – nein danke!
Leider weiß ich nicht, wie die bedauernswerten JB-Opfer die Überraschung überstanden haben, denn ich bin doch eingeschlafen. Satireclowns, die den Mainstream verteidigen (gegen wen?), befinden sich in guter und reichlicher Gesellschaft der Öffentlich-Rechtlichen. Da, wo sie hingehören – als Gebührenclowns.
Zeichen und Buchstaben
Montag. Zwischen meine eigenen Buchprojekte schiebe ich das Projekt „Junge Texte aus Eisenach“: Mein Herzensding. Ich möchte, dass meine Jungautor*innen ihre gedruckten Texte in der Hand halten und im besten Fall öffentlich vorlesen. Diese Anerkennung haben sie, haben ihre Arbeiten verdient.
Übers WE habe ich alle infrage kommenden Texte der vergangenen zwei Jahre redigiert und digitalisiert, was die Jugendlichen aus irgendwelchen Gründen nicht hinbekommen. Können auf ihren Konsolen daddeln und mit beiden Daumen das Handy wie die Weltmeister bearbeiten, aber keine zusammenhängenden Texte schreiben. 40 Seiten sind es bis jetzt, und ich liebe jede einzelne dieser kleinen Textperlen. Sehe die Person dahinter, sehe die Situation, in der sie entstanden sind, sehe das Eigene & Persönliche, das zwischen den Zeilen blitzt.
Ich freue mich darauf, wenn es fertig ist. Die Mädels und Jungs auch. Und als ich Christiane H. davon erzähle, bietet sie mir an, das gesamte Layout zu machen, kostenlos! Ich bin so dankbar und froh, dass mir gar nichts zu sagen einfällt. Sie wird es wunderbar machen, wie sie alles wunderbar macht.
Auch das Cover für mein neues Buch hat sie wieder entworfen. Meine Meinung: es ist das schönste Buchcover der Welt (fand ich bei Lass uns über den Tod reden auch schon). Bunt und zuversichtlich wie der Titel, aber nicht flach. Jedes Wort korreliert mit dem grafischen Element im Hintergrund, das ist von einer klaren, intellektuellen Schönheit. C.H. besitzt ein Wahnsinnsgespür für Formen und Farben und eine große Sorgfalt. Entsprechend positiv hat der Verlag den Entwurf aufgenommen, GsD. Eine Win-Win-Situation in jede Richtung.
Lachen
Sonntag. Wenn ich PMs Lachen höre, dann ist das, als würden alle mein Ängste und Befürchtungen abgewaschen. So warm und von innen heraus kommt es.