Der Raum

Mittwoch, Lissabon. Der Raum ist für dich gemacht. Niemand sonst sitzt in den Sesseln oder auf dem anderen Sofa gegenüber. Nie sitzt jemand dort.

Der Raum ist groß und hell. Konsequenter Sixiesstyle. Cremefarbene Bodenfliesen, cremefabene bodenlange Stores über die gesamte Fensterseite, dahinter zeichnen sich die Umrisse der Palmen wie Schatten ab. An der Stirnseite eine niedrige Sitzgruppe in Braun und Stahl. Gegenüber, am anderen Ende, dieselbe Sitzgruppe noch einmal. Als würde ein Spiegel dazwischen stehen. In Wirklichkeit stehen da aber zwei tragende Säulen von beachtlichem Umfang, braun auch sie.

Auf den flachen Tischen, vor den Sofas, steht jeweils ein rechteckiger Stahlbehälter. Darin sind, wie Kunstobjekte, drei violettfarbene Gläser aufgereiht – die einzige Farbe.

Ein Raum wie auf einem Gemälde von Edward Hopper, ein typisch Hopperscher Raum, würdest du beim Betrachten des Gemäldes sagen. Jazzige Klaviertöne perlen aus unsichtbaren Lautsprechern, ein Contrabass, eine dezente Trompete, auch die Musik ist cremefarben. Du siehst eine Partygesellschaft hereinströmen, Frauen in engen Shiftkleidern oder in weiten Röcken mit schmalen Oberteilen, sie rauchen und flirten über ihr Glas hinweg mit Männern in Anzügen. Die Männer haben eine Hand in der Hosentasche, mit der anderen gestikulieren sie dezent, weil sie um die Bedeutung ihrer Worte auch so wissen. Die Atmosphäre ist entspannt, die Menschen wandern umher oder stellen sich an die bodentiefen Fenster und schauen hinunter auf den Pool oder, ein Stück weiter hinten, aufs Meer.

Der Raum ist nicht für Partys gemacht. Genau genommen handelt es sich um einen Durchgangsraum. Der Weg in ihre Zimmer oder zum Frühstück führt die Hotelgäste hindurch, sie schauen auf, überrascht von der lichten Weite, und ehe sie den Gedanken Gestalt annehmen lassen sich hinzusetzen, auf einen der braunen Sessel oder auf eines der braunen Sofas, sind sie am anderen Ende angelangt und senken den Blick und bedauern vielleicht die verpasste Chance.