Mittwoch. Schlecht geschlafen, Atemprobleme, Heuschnupfen. Aufgestanden, nach oben gegangen, Buch aus Regal gezogen, das ich noch nicht kannte und von dem ich nicht weiß, wann ich es mal gekauft habe: Hartmut Lange, Eine andere Form des Glücks.
Vielversprechender Titel. Erschienen 1999. Vom Dt. Literaturfond e.V. gesponsert, der Autor bedankt sich eingangs bei seiner Frau für die Mitarbeit. Ich hab’s auch schon durch jetzt. Die Geschichte hat anfangs einen Sog. Der lässt dann nach, die Leute verhalten sich seltsam, was für sich nicht schlecht ist, aber sie sind seltsam auf nicht nachvollziehbare Weise.
Lange ist ein wichtiger deutscher zeitgenössischer Autor. Steht ganz hinten drin, in den Buchempfehlungen. Seine Bücher erscheinen bei meinem Lieblingsverlag, Diogenes. Die Rezensenten bescheinigen ihm Lakonie. Ohne Lakonie geht gar nichts mehr im zeitgenössischen deutschsprachigen Literaturbetrieb. (Zum Glück gibt es noch die Amerikaner, wenn einem doch mal wieder nach Blut, Schweiß und Tränen ist.) Vom leidenschaftlichen Schreiben ist Lange wirklich weit entfernt. Obwohl er ja laut einer Spiegel-Rezension, die steht auch hinten drin, wie Büchner schreibt. Er hat mal eine Doppelgängererzählung von Büchners Lenz geschrieben, Die Wattwanderung. Die kenne ich jetzt zwar nicht, aber soviel weiß ich, dass Büchner alles andere als lakonisch ist.
Die Kultur-Chronik Bonn dagegen vergleicht Lange in einem Satz mit Cechov, mit Conrad und Fontane. Hey, ist eigentlich keinem aufgefallen, dass er in seinem Roman die Blassblaue Frauenschrift zitiert? Wieso ist da niemand, der ihm die Werfel-Schreibe attestiert?
Irgendwo irgendwann muss Lange dann auch mal Kleist für sich entdeckt haben, oder wie anders erklärt es sich, dass gleich mehrere Rezensenten finden, Lange schreibe wie Kleist? Lange liebt, das fällt auf, Einschübe, Verweise, die er, gerne auch in Form von Hauptsätzen, nicht nach-, sondern zwischenordnet, Einschübe eben. Deshalb schreibt er aber nicht wie Kleist. Ist auch die Frage, ob das heute noch eine Auszeichnung wäre, wie Kleist zu schreiben. Ach ja, altmodisch sei er, das wird mehrfach erwähnt. Vielleicht, zusammen mit den Einschüben, reicht das manchem Rezi-Schreiber für einen Vergleich mit dem glücklosen Freund des Kettensatzes, der sich, pleite und ungeliebt, einst am Wannseeufer erschoss.
Muss das eigentlich sein, diese herbeigeschwurbelte, auf Teufel komm raus rausgezogene Intertextualität, diese Verweise auf die gesamte europäische Literaturgeschichte, wo doch einfach nur Sätze stehen. Ich meine, kann einer nicht seinen Stil haben, ohne gleich zu schreiben wie? Hartmut Lange mit seinem Hang zu Einschüben schreibt wie Hartmut Lange. Vielleicht bin ich aber auch einfach nur, ich habe schlecht geschlafen, müde.
Das sind meine, für den Fall, dass es jemanden interessiert, Nachtgedanken. Und jetzt, meine Atemprobleme haben sich ein wenig gelegt, versuche ich es noch einmal mit dem Einschlafen.