Einer meiner Vorgesetzten

Einer meiner Vorgesetzten kann nicht mit Leuten, die den Durchblick haben. Gestern hat er einen jungen, souveränen Typen, der obendrein gefährlich smart gekleidet war, gemobbt. Mit der vollkommen sinnfreien Anweisung, ein Formular noch einmal auszufüllen, weil der Andere über den Rand geschrieben habe (der Rand, die Vorgabe, die Grenze!), hat er ihn gedemütigt. Den handschriftlichen Text hat er anschließend sehr gründlich und mit verächtlich hochgezogenen Brauen nach Fehlern untersucht.

Ausgerechnet er!

Einer meiner Vorgesetzten hat seine Karriere auf dem zweiten Bildungsweg genommen. Das ist an sich nicht weiter erwähnenswert, doch er erwähnt es jedesmal, wenn er mit einem Fremdwort an seine Grenzen kommt. Adoleszenz ist so ein Fremdwort. Da muss er erstmal nachfragen, was es damit auf sich habe. Mit dem Nachfragen (mit der eigenen Begrenztheit) hat er keine Probleme. Er ist ein Mann, der zu seinem Nichtwissen steht. “Ich habe mein Abitur über den zweiten Bildungsweg erworben”, verkündet er stolz, und dann hebt er die Hände in so einer Angeberperformance, als würde er Ehrungen direkt vom Himmel empfangen, und fügt hinzu: “Und sehen Sie, Frau Vieregge, wo ich heute stehe.”

(Eigentlich ist das eine lustige Geschichte)