Mittwoch, B.N. Gestern Morgen fahre ich zusammen mit dem Entrümpler aus B.N. zum Elternhaus und sehe, dass andere dort schon schwer zugange gewesen sind. Ist wohl ein gängiges Muster, wie der Entrümpler mir versichert, den ich seit gestern die Ehre habe Thorsten nennen zu dürfen.
Da bleibt dir nur eins: Mantramäßige Selbstbeschwörung, dass kein Ding im Leben so wichtig ist wie dein innerer Frieden. Und das ist es ja auch wirklich nicht. Am Freitag wird es noch mal so richtig krass übel werden, wenn alle sozusagen zu den endgültigen Entscheidungen zusammen treffen, und das wird dann, traurig aber wahr, wohl das letzte Mal sein, weil eben manche Entscheidungen doch wichtiger werden können als Frieden. Weil die Beziehungen nie friedlich waren.
Ich rege mich über nichts auf. Ich habe alles. Ich brauche nichts. Ichhabeallesichbrauchenichts. Moralisch bist du damit auf der sicheren Seite. (Boah!, wie peaceful is die denn drauf!) Ist aber keine gute Einstellung, wenn du Kinder hast. Eine verteufelte Situation.
Jéromes Mantra: Du musst die Arschlochspirale ja nicht mitspielen. (Jérome ist konsequenter Familienaussteiger.)
Hilf dir selbst, dann hilf dir Gott!, ist unser Familienmotto, oder besser gesagt das der Sacks, bzw. der 1791 gegründeten Sack’schen Stiftung, zu der unsere Familie qua Geburt gehört. Das Familienmotto wollte ich mal ändern, ganz offiziell per Antrag und mit einer ausgearbeiteten Alternative in der Tasche, aber no chance gegen jahrhundertealte Traditiooon.
Thorsten geht so durch die Wohnung und denkt sich seinen Teil. Für die kleinsten Heimlichkeiten hat er ein Auge und ansonsten hat er ein Auge auf die Dinge, die er für seinen Laden mitnehmen will. Sein Expertenblick ist überall, nebenbei stellt er schon mal eine Berechnung auf wegen der Container, erzählt mir was über Materialtrennung und Altlasten, marschiert kreuz und quer durch die entlebte Bude. Während ich zu meiner Mutter gehe, um ihr ihre restlichen Kleidungsstücke zu bringen und mich mit ihrer Betreuerin zu treffen, um weitere Dinge abzusprechen.
Meine Mutter dreht den Kopf zur Wand. Wenn du nur immer ein paar Stunden bleiben kannst, komm lieber gar nicht mehr. Das wollte ich dir schon lange mal sagen, sagt sie.
Ja, danke Mama, ich wollte dir auch schon lange mal ein paar Dinge sagen, aber das bringt jetzt nichts mehr. Dafür ist es nämlich schon sehr lange sehr viel zu spät.
Und deshalb haben wir jetzt hier den Salat.
Gegen vier Uhr Rückfahrt nach B.N. Thorsten hat seine Kosteneinschätzung abgegeben, er wird das Haus besenrein räumen, ich bin erleichtert, er nimmt uns damit viel Arbeit ab und was er dafür nimmt, ist absolut angemessen.
Dann kracht es. Wir sehen uns an. Ich denke, wie kann der jetzt so sauscharf bremsen, wir stehen doch schon beinahe. Wir bilden nämlich gerade das Stauende. Wir glotzen immer noch, checken nichts, Thorsten gafft in den Rückspiegel und schreit: Die ist mir draufgefahren!
Mitten auf der Autobahn, am Ausläufer des Staus, trotz eingeschaltetem Warnblinker, klebt uns ein anderes Auto auf der Stoßstange. Wir steigen aus, die Andere sagt: Ich hab doch nur schnell mal aufs Handy geguckt!
Dasselbe wiederholt sie dann auch noch am Telefon gegenüber ihrer KfZ-Versicherung. Wie blöd kann man sein? Polizei dauert zu lange, Einigung über die Versicherungen, die zufällig bei beiden die gleiche ist. Ich fotografiere den Schaden, den Ausweis der Handytussi, ihren Versicherungsschein, ihr Kennzeichen. Sie ist ja nun mehr als einsichtig, wir erfahren, dass es ihr dritter Unfall innerhalb von zwei Monaten ist. Warum lässt man solche Leute überhaupt noch auf die Straße, das wäre hier mal eine Grundsatzfrage.
Weiterfahrt, alles scheint geklärt. Bis sich auf einmal nicht mehr ignorieren lässt, dass Thorstens Citroen röhrt wie ein Ferrari. Bei der nächsten Raststätte halten wir an, klare Sache, das Auspuffrohr ist gebrochen. Wagenmittig hängt es runter. Wie lange noch, bis es runter fällt? Aufsteigende Nervosität, Anruf bei der Versicherung, dann noch einer und noch einer, das ist mit einem nicht getan, das ist ein Hin und Her wie es scheint mit dem gesamten Personal der HUG-Helferline – wir sollen warten, Abschleppdienst und Ersatzauto seien quasi schon unterwegs.
Letztlich stehen wir, der mir weitgehend unbekannte Thorsten und ich, drei Stunden erst bei der Raststätte (wo ich ihn zum Essen einlade), dann auf einem einsamen Industriegelände in Erftstadt herum – da war ich jetzt also auch schon mal – und warten. Dahin gebracht hat uns der Abschleppdienst – coole Fahrt im LKW mit dem defekten Auto hinten auf der Rampe -, nur hatte der leider keinen Ersatzwagen dabei. Dafür ist nämlich wieder ein anderes Unternehmen zuständig. Das ist nämlich eine Autovermietung, und die wartet, wie wir später erfahren, vergeblich an der Raststätte, wo wir schon lange nicht mehr sind.
Gegen 22 Uhr bin ich zu Hause, also bei P.M. Was für ein bescheuerter, merkwürdiger Tag! Und um noch eins draufzusetzen, ist im Haus Stromausfall. Nichts funktioniert mehr, rien, niente! Da hilft nur ein Kerzlein, und der PC und das leerfotografierte Handy bleiben eben aus.
Und heute, aus dem Abstand, finde ich den gestrigen Tag eher merk-würdig.