Mittwoch, Diano Marina. Der Vollmond und der silberne Teppich auf dem Meer lassen sich nicht fotografieren.
Wenn PM schläft und ich ihn so ungestört betrachte, ist das immer noch und immer wieder ein Staunen.
Wir lesen beide Bücher aus Israel; ich von Lissie Doron Who the Fuck Is Kafka, PM fiebert bei Totengebet von Elisabeth Herrmann mit.
Temperatur: 22 Grad, Wassertemperatur im Pool: 18 Grad. Sonne, Wind, Cappucino, Limoncello, eine Punkband im frühabendlichen Treiben der Hauptgeschäftsstraße, noch einen Cappucino in der Pasticceria, der Duft von gegrilltem Fisch, die Bar, in der punkt Mitternacht frische Kuchen aus dem Ofen in die Körbe auf dem Tresen geschichtet werden. Der Barmann hat die Ruhe von Leuten, die nichts mehr überrascht, und dann kommen sie, die Taxi- und Notarztfahrer, die Hotelangestellten, die jungen Mädchen in Shorts und T-Shirts mit ihren Typen an der Hand und holen sich eine noch warme Rosinenschnecke oder ein Schokoladencroissant.
Die Bar liegt gegenüber vom Hotel auf der anderen Straßenseite, wir sitzen darin fest und trinken zu viel, bis die drei anderen zuerst traurig und dann wütend werden. Weil sie sich erinnern. Weil ihre Erinnerungen an das Misstrauen und die Abschätzigkeit, mit denen sie nach der Wende ohne Ausnahme bedacht worden sind, tief sitzen. Und ich sitze da und höre nur zu und habe schon wieder ein schlechtes Gewissen. Weil ich der Westen bin, und sie sind der Osten, ich bin das gefräßige Tier, das sich den anderen Teil Deutschlands einverleibt hat und darauf noch fetter geworden ist, während sie diejenigen sind, deren Heimat nicht mehr existiert, deren Jugend ausgelöscht ist und deren Ausbildungen nichts mehr wert waren. Ich bin der hochmütige Wessi, sie der beschämte Ossi.
Und zum ersten Mal erzählt PM die Geschichte seiner Beschämung.