Facebook hat so ein Psycho-Experiment durchgeführt. Schon im Januar 2012. Ist aber jetzt erst veröffentlicht worden, im Juni 2014. Absicht und erzielte Erkenntnis sind so irrelevant, dass es kaum lohnt, das Experiment hier näher darzustellen.
(Hintergründe nachzulesen z.B. bei: http://www.spiegel.de/netzwelt/web/facebook-rechtfertigt-psycho-experiment-auf-neuigkeitenseiten-a-978253.html)
Natürlich geht das Experiment zulasten der User. Denn die wussten nichts davon. Dass sie gerade an einem Experiment teilnehmen. Jetzt sind sie sauer, und geschwind kommt einer der an dem Experiment beteiligten Datenanalysten, Mister Adam Kramer, um die Ecke, um Stellung zu beziehen. Also um die Sache zu rechtfertigen.
Soviel sei gesagt: Für das Experiment wurden Seiten manipuliert. Kramer behauptet, dies sei geschehen, weil FB “sich für die emotionale Wirkung von Facebook interessiere sowie für die Menschen, die das soziale Netzwerk nutzen”.
Das glauben wir natürlich gerne, dass FB will, dass wir User uns wohlfühlen auf FB.
Zusammengefasst geht es – angeblich – darum, dass Leute sich ausgeschlossen fühlen, wenn sie die positiven Nachrichten ihrer Freunde lesen (weil sie dann neidisch oder traurig sind/werden, dass es ihnen selbst gerade nicht so gut geht). Stürzten aber zu viele Negativnachrichten auf sie ein, gehen manche User lieber gar nicht mehr auf FB. Das habe die Analysten natürlich beunruhigt. Weil, siehe oben, sie ja nicht wollen, dass wir bei unserem FB-Besuch schlechte Gefühle kriegen.
Das erklärt jetzt auch mal, warum es so unendlich viele Sonnenuntergangs- und Katzenbilder gibt, so unendlich viele unlustige Witzkarten und so unendlich viele Fotos von Tellern, auf denen du sehen kannst, was einer oder eine sich heute gekocht hat.
Das ist es, was Facebook stehen lässt. Weil uns das gute Laune macht.
Die gute Absicht hinter dem Experiment sei wohl zu wenig nach außen kommuniziert worden, meint Kramer nun, denn sonst, so sein unausgesprochener Gedanke, könne man sich doch unmöglich ernsthaft gegen das Experiment stellen.
Die gute Nachricht für uns: Wir waren wohl nicht betroffen. Es wurden lediglich englischsprachige Nutzer analysiert (und zwar 689.003! Das sind, laut Kramer, jedoch nur 0,04 Prozent der Gesamt-User).
“Wir wollten niemanden aufregen!”, beteuert Kramer. Sondern nur “unseren Service verbessern.”
Lustig, wenn auch wenig überraschend: Der Effekt der Newsfeed-Manipulation sei gering gewesen. Heißt: Die Macher von Facebook haben wohl nicht so viel über uns herausgefunden, wie sie sich das erhofft hatten:
“Eines der Ergebnisse der Studie lautet, dass diejenigen Nutzer, die weniger negative Meldungen zu sehen bekamen, mehr positive Inhalte (+0,06 Prozent) und weniger negative (-0,07 Prozent) veröffentlichten. Wer weniger positive Postings als üblich angezeigt bekam, produzierte mehr Inhalte mit negativer (+0,04 Prozent) und weniger mit positiver Stimmung (-0,01 Prozent).” (Spiegel-online, 29. Juni 2014)
Aha! Hand hoch, wenn das interessiert! Analyst Kramer meint dazu: “Rückblickend könnte es sein, dass der wissenschaftliche Nutzen des Papers nicht alle Aufregung rechtfertigt.”
Damit könnte man sich ja nun zufrieden geben. Aber richtig spannend wird es erst in den weiterführenden Kommentaren, zum Beispiel dem von Holger Dambeck/Spiegel-online: Facebook gehe es natürlich darum, dass wir möglichst viel Zeit auf der FB-Plattform verbringen, damit der Werbeumsatz stimmt. Deshalb manipuliere FB sowieso dauernd die Nachrichtenfilter, auch ohne Psycho-Experimente. (Siehe hierzu auch Eli Parishers Studie: “The Filter Bubble”)
Facebook ist ein Kommerzunternehmen und kein Wohltätigkeitsverein. Wissen wir ja alle irgendwie. Äußerungen über unsere momentanen Gefühlslage werden offensichtlich von FB verwendet, um Massen zu manipulieren. Um uns zu manipulieren.
Der Preis, den wir alle bezahlen, ist Vertrauensverlust. Wie gesagt, wir wissen das eigentlich schon. Intellektuell jedenfalls. Aber emotional vielleicht noch nicht so ganz. Das emotionale Wissen braucht ja bekanntlich etwas mehr Zeit. Wir möchten nämlich vertrauen! So sind wir gestrickt. Wir sind nicht alle Schweine. Noch nicht! Und dann bekommen wir immer wieder eins auf die Mütze. Jetzt also von Facebook.
Was das o.g. Facebook-Experiment uns um die Ohren haut, ist die Botschaft: Wir nutzen euch gnadenlos aus für unsere eigenen Interessen.
Das ist das Prinzip des Kapitalismus. So werden wir jeden Tag, und mit jeder (neuen) Erkenntnis dieser Art, ein bisschen zynischer. Und finden das auch noch normal. Wer nicht zynisch ist, wer’s nicht blickt, der ist kein netter Mensch, sondern einfach nur ein bisschen naiv.
Na denn: Gute Laune!