Dienstag. Zeit nimmt mich gefangen. Stimmungen nehmen mich gefangen. Bilder nehmen mich gefangen. Arbeit nimmt mich gefangen. Liebe nimmt mich gefangen. Geld nimmt mich gefangen. Fehler nehmen mich gefangen. Musik nimmt mich gefangen. Familie nimmt mich gefangen.
„Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt. Die Freiheit der Person ist unverletzlich.“
Als der Zug mit zweistündiger Verspätung im Bahnhof einfährt, ist mein Stimmungsbarometer ganz unten. Die Türen werden aufgerissen. Menschen mit roten Backen und verschwitzten Gesichtern stolpern raus, den ungeduldig Wartenden in die Arme. Die Frau, die heulend über dem Kinderwagen zusammenbricht, und das Kind, das ihr daraufhin mit einem Holzspielzeug auf den Kopf haut, was die Frau wieder zur Raison bringt, dieses Bild nehme ich mit.
Ich kann unterwegs arbeiten, vielleicht werde ich sogar fertig, das macht meine Schritte leichter.
Nach vier Stunden Fahrt entdecke ich am Ende des Bahnsteiges, hinter einem Betonpfeiler, die Schuhspitzen von PM. Wie immer glaubt er sich unsichtbar, wie immer spiele ich sein Spiel mit und schrecke überrascht zusammen, als ich auf seiner Höhe angekommen bin. Ein Zombie aus den Bahnhofskatakomben stakst auf uns zu und fragt in die Umarmung rein nach einem Euro. PM greift in seine Jackentasche, die Münzen klimpern eine Melodie, der Zombie lacht und zeigt schwarze Zahnreste in grauem Zahnfleisch.
„Eine ganz kaputte Uhr“, sagt PM mitleidig, als der Zombie sich trollt, „der wird’s nicht mehr lange machen.“
Das schlechte Gewissen regt sich zuverlässig. Wir sind satt, wir haben alles, wir steigen in das Auto mit seinem satten, maßvoll runtergedimmten Fahrgeräusch und fahren Wärme, Kerzenlicht und Schampus entgegen.
Gefangen auf hohem Niveau.
Schreibmeditation: „Gefangen“