Armer reicher Hoeneß

Freitag. Hoeneß ist verurteilt. Dreieinhalb Jahre Gefängnis mit Aussicht auf offenen Vollzug. Da kann man nichts sagen angesichts der gigantischen Schuldsumme. Hoffentlich nimmt Hoeneß das Urteil an, legt seine Ämter nieder und geht in sich. Zeigt, dass er verstanden hat.

Wie süchtig ist Uli Hoeneß?, wurde gestern noch Jens Reimer, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, gefragt (WEB.DE vom 12.03.2014). Wie schön wäre es gewesen, den FC-Bayern-Präsidenten einfach für krank zu erklären. Einem Kranken hätte man Milde und Verständnis entgegenbringen können.

Tatsache: Hoeneß war Extremzocker. Er selbst gab am dritten Prozesstag an, Tag und Nacht mit der Bank telefoniert zu haben. Die Kurse habe er auf einem Börsenpager verfolgt, den er stets bei sich trug. Manchmal habe er sogar im Fußballstadion darauf “geschielt”. Seine Familie habe ihn gewarnt, gab sein Sohn vor Gericht an. Millionen hatte der berühmte Vater gewonnen, noch mehr Millionen sind dabei futsch gegegangen.

Geld sei für ihn keine reale Größe mehr gewesen, “wie wenn ich Monopoly spiele”, so Hoeneß. Die Spekulationsgeschäfte bliesen sein Schweizer Konto zeitweise auf 150 Millionen Euro auf. Seine Gewinne, die er selbst mit 51.956.660.72 für das Jahr 2003 und mit 78.389.716 Euro für 2005 bezifferte, ergaben die verblüffende Steuerschuld von 27,2 Millionen Euro. So ungefähr. Vielleicht waren es auch noch mehr. So genau interessiert das jetzt niemanden mehr. Zu viele Zahlen – jede einzelne für Otto Normalverbraucher schwindelerregend – kursierten in den letzten Tagen in der Presse. An die 50.000 Transaktionen sollen es im Laufe der Jahre gewesen sein, Hunderte am Tag, hält Michael Kröger auf spiegel-online fest (13.03.14).

Er sei in eine “Spirale der Unglückseligkeit” hineingezogen worden. Er habe Gewinne erzwingen wollen und dabei kein Ende gefunden, klagte Hoeneß dem Vorsitzenden Richter Rupert Heindl sein Leid.

Ein reicher Mann ist ein armer Mann mit viel Geld, soll Onassis einmal gesagt haben. Auch er kannte sich aus mit der Unglücksspirale. Eine andere Sache ist, dass diese unglücklichen Schwerreichen, diese verzweifelten Zocker, andere Menschen schädigen. Indem sie immer gieriger werden und dann, zum Beispiel, keine Steuern zahlen. Privilegien, Privateigentum und Macht verleiten zum unbedingten Willen, sich diese Macht zu erhalten, schrieb schon der alte Rousseau.

Ist Hoeneß also ein Opfer des Systems und gleichzeitig Täter?

“Ein Wirtschaftssystem, das einen Wurstfabrikanten wie Hoeneß dazu verleitet, eine Zehntel Milliarde Euro mal eben so zu verzocken, ist in sich instabil… Das Problem sind die liquiden Mittel, das Zockergeld, das einige Reiche durch die Gegend schleudern und damit Schaden anrichten”, stellt Wolfgang Münchau fest. Und: “Dieses System ist gerade dabei, wieder dieselben Anreize zu schaffen, die Hoeneß am Ende zu seiner Wahnsinnstat verleitetet haben.” (S.P.O.N. – Die Spur des Geldes, 12.03.14)

Hand aufs Herz: Wie würden wir über Geld entscheiden, mit Geld umgehen, wenn es sozusagen unseren Weg pflasterte? Tatsache: Ich weiß es nicht. Ich bin, verdammtes Scheißglück!, noch nie in dieser Situation gewesen. Hat Bill Gates nicht mal viele Millionen Dollars in eine Stiftung gesteckt, um seine Kinder vor dem vermeintlichen Segen einer Riesenerbschaft zu verschonen? Der Erbenkinder manchmal zu lebensunfähigen Versagern macht? Und ist Bill Gates nicht schon wieder einer der reichsten Männer der Welt? Das Geld scheint so hemmungslos wie Unkraut nachzuwuchern in bestimmten Kreisen. Uli Hoeneß gehört zu diesen Kreisen.

Er wollte immer nur geliebt werden, schreibt einer seiner zahllosen Kommentatoren dem Bayern-Präsidenten ins interaktive Poesiealbum. Yeah, wer will das nicht. Geliebtwerdenwollen ist genauso wenig eine Krankheit wie Geld verzocken. Die Krankheit ist vielmehr das Geld, das wie ein monströses Krebsgeschwür die eine oder andere auserwählte Existenz zuwuchert, zuscheißt, ungeachtet dessen, ob der Auserwählte damit zurecht kommt oder nicht.

Extremeinkommen extrem zu besteuern, sei die einzige Lösung, fordert Münchau. Und zieht damit einen Circulus vitiosus, denn gerade den Steuern ist Hoeneß ja gekonnt ausgewichen. Die Frage ist: Darf ein Einzelner überhaupt so viel Geld bekommen? Kein persönlicher Fleiß, keine unternehmerische Heldentat rechtfertigen die heute üblich gewordenen Managergehälter. Und erst recht nicht die wundersame Geldvermehrung auf dem Devisenmarkt. Der Maßstab scheint vollkommen verloren gegangen. Wo derartig überzogene Mittel zur Verfügung stehen, da werden Menschen einknicken. Die Versuchung ist zu groß. Unsere Standhaftigkeit ist dafür nicht gemacht. Das ist, wie wenn du einem wütenden Typen eine Knarre in die Hand drückst und forderst: “Aber nicht schießen!”