Kein Glitzerchichi

Freitag. Und jetzt also München.

Noch kann ich es nicht so richtig glauben. Seit einer Stunde bin ich in der Wohnung meiner nächsten Interviewpartnerin. Den Wohnungsschlüssel hatte sie in einem Café für mich hinterlegt. Sie kommt erst morgen. Dafür bringt eine ihrer Freundinnen mir ein indisches Reisgericht vorbei, das scharf und schmackhaft ist. Diese Art von Gastfreundschaft habe ich bisher noch nicht kennengelernt. GG ist eine Jetsetterin. Sie führt ein komplett anderes Leben als ich.  Sie kommt und geht. Sie bleibt länger oder gar nicht. Hier in ihrer Schwabinger Wohnung  – sie hat noch mehrere andere – ist sie schon wochenlang nicht mehr gewesen.

Ich hab vorhin eingekauft, ihren Kühlschrank aufgefüllt, Blumen und Obst hingestellt. Bei ihr ist alles öko. Meine gelbe Nesquick-Packung macht sich da wie ein exotischer Lichtpunkt aus. In Schwabing findest du alle paar Meter einen schönen Laden: Früchte, Schmuck, internationale Gerichte, Kleider, Kleinmöbell. Dauernd gibt es etwas zu gucken. Das Tempo ist runtergefahren, im Früchteladen werden die Aprikosen und Trauben in dreieckige Papiertüten verpackt. Keine Selbstbedienung, stattdessen spielen ernste Verkäufer hinter der Theke Kaufladen. Ein bisschen wie früher – die Leute sind freundlich, manche tragen ausgefallene Klamotten. In einem Schaufenster habe ich einen wunderschönen orientalischen Anhänger aus Silber und Halbedelsteinen gesehen. Vielleicht gehe ich morgen nochmal hin. Ich denke, wir werden zusammen frühstücken. Dann ein bisschen ausruhen wegen ihrer weiten Reise  und mittags das Interview.

Aus vielen Ecken der Wohnung grüßt Buddha. Es gibt cooles Industriedesign, kein Glitzerchichi, dafür Tropenhölzer und ausgewähltes Antikes von fremden Kontinenten. Es gibt keine Uhr, nirgends. Ich bin gespannt auf sie. Auf ihre Geschichte. Der Tod ist schon mehrmals in ihr Leben reingegrätscht. Ich freue mich. Ich glaube, wir ticken ähnlich…