Die Gärtnerin von Versailles

Sonntag. Den Abend gestern mit meinem Freund, Nachbarn und Kollegen W. verbracht. Zuerst die Karten im Kino Museum abgeholt, dann noch schnell ins Piccolo Sole d’Oro auf ein Glas sehr guten Weißwein. Langsam runtergekommen – „aah, schön hier, aaah, herrlich!“ – von der konzentrierten Arbeit tagsüber. Die Beine lang gemacht, ein bisschen Leute geguckt, auf dem Rückweg ins Kino die milde Luft genossen, die Beleuchtung im Zwielicht, und überall roch es so gut nach Essen und nach Parfum. Viele Menschen unterwegs. Mädchen in Dirndlkleidern, Jungs in Seppelhosen, das gesellschaftliche Rad scheint sich schwer zurückzudrehen (wie kann man so bescheuert rumlaufen!).

Ein wunderbar kühnes Graffiti bei der kleinen Treppe am Schimpf-Eck entdeckt.

Im Studio Museum lief Die Gärtnerin von Versailles. (Komisch, so gut wie nie sehe ich im Kino Bekannte. Was machen die eigentlich Samstag abends?) Ein langsamer Film mit üppigen Landschafts- und Naturbildern. Auf der inneren Handlungsebene geht es um das Leiden an Verrat, Betrug, immer das gleiche. An nichts leiden Menschen so sehr wie an Verrat und Betrug. Das tun sie sich gegenseitig an, unter Liebenden, unter Freunden.

„Danach bist du eine Andere“, sagte gestern eine Uraltschulfreundin, die mich wie aus einem längst versunkenen Äon anrief, weil sie aktuell ein Klassentreffen plant. Ganz nüchtern sagte sie mir das, aus ihrer eigenen Erfahrung heraus. Und immer sind es die starken, taffen, die attraktiven Frauen, die, von denen jeder denkt, die Männer liegen ihnen zu Füßen.

Doch die starken, taffen, attraktiven Frauen fühlen sich nicht selten von Feiglingen angezogen. Die Feiglinge wiederum fühlen sich von den starken, taffen, attraktiven Frauen angezogen. Eine Weile jedenfalls. Irgendwann fühlen sie sich klein neben ihnen. Zum Wachsen, zum Zusammenwachsen, sind sie zu feige.

(Meide die Feiglinge – in Sachen Beziehung, beruflich und überhaupt. Mache einen großen Bogen um sie. Weil sie nicht anders können. Sie halten nicht zu dir, weil sie nicht zu sich selbst halten.)

Bei W. zum Abschluss noch einen Weißwein getrunken. W. zeigte mir in einem Hülsta-Katalog das Regalsystem, aus dem er sich eine Schrankwand ausgesucht hat. Außerdem will er sich eine neue HiFi-Anlage zulegen. Ich hab gesagt, dass ich ihm die alte Anlage abkaufe.

W. ist einsam. Er kommt damit klar.

W. ist das Gegenteil von einem Feigling. Dafür gibt es kein Wort. Komisch.