Mein Steuerberater

Samstag. Der Besuch des Steuerberaters ist eigentlich nichts, worüber sich schreiben lässt, obwohl mein Steuerberater durchaus seine poetische Seite hat, weil er gerne Geschichten erzählt, und manchmal kommt er nur auf eine halbe Stunde vorbei, um einen anständigen Kaffee zu trinken, und dann erzählt er mir von seinem Abenteuerleben vor seiner Steuerberaterzeit, den Kaffee mag er schwarz und stark, und dazwischen erzählt er auch was über die Steuer und worauf ich zu achten habe, weil er jedesmal wieder entsetzt ist, was ich alles nicht weiß oder schon wieder vergessen habe, obwohl er es mir doch erst beim letzten Mal eingetrichtert hat, während er mit scharfem Auge verfolgt, in welchem Ordner und in welcher Abteilung ich das Blatt da jetzt abhefte, denn die Abteilungen in meinen Ordnern hat er höchstselbst angelegt, mit verschiedenfarbigen Blättern dazwischen, weil er auch so eine Art Ordnerdoktor ist, also einer, den der Anblick eines unübersichtlichen Ordners sofort zur Tat schreiten lässt, weil er ihn nicht aushält, und als nächstes erinnert er mich an die Sondertilgung bei der Wüstenrot und dass ich dann ganz bestimmt ruhig in die Zukunft blicken kann, zufrieden blickt er sich in meiner Wohnung um, denn eine Wohnwertversicherung hat er mir auch schon verkauft, beide sind wir jetzt sehr damit zufrieden, und deshalb kontrolliert er noch schnell den Jahresbescheid vom Finanzamt, da huscht ein Lächeln über sein Gesicht, die hob’n ja olles okzeptiert!, sagt er und seine Stimme, die wie ein Zug auf mich zurollt, ist wie ein Schulterklopfen für sich, ja, sage ich, das haben Sie wirklich gut hingekriegt, und dass ich an die neue Verordnung für Geschiedene denken werde, von der er gesprochen hat, das sage oder denke ich auch, obwohl ich genau weiß, dass das nicht nötig ist, weil er schon längst abgespeichert hat, mich daran zu erinnern, und er trinkt noch einen Schluck von dem Schwarzen und sagt, das nächste Mal bin ich aber nicht mehr so billig, da lachen wir beide, obwohl ich das jetzt gar nicht so lustig finde, und gleich bekomme ich wieder ein bisschen Angst, weil die Steuer ist sowieso so ein angstbesetztes Feld, aber mein Steuerberater steht schon in der Tür und drückt mir die Hand, und darüber bin ich beruhigt, denn so schnell, wie er jetzt geht, kommt er in ein paar Wochen oder Monaten wieder zurück oder auch schon demnächst, und wenn es bloß wegen einem anständigem Kaffee ist …