Kochen und Arbeiten

Dienstag, B.N. Gestern Abend las PM mir das Märchen Tischlein, deck dich vor. Wir waren durch ein Zitat darauf gekommen. Märchen kannst du immer wieder hören, auch wenn du den Plot schon in- und auswendig kennst. Du setzt dich hin, weißt genau, was jetzt passiert und freust dich drauf. Du könntest das auch analysieren, wie der Text das anstellt, und das ist sogar ziemlich offensichtlich, wie er es anstellt, aber hast du dazu wirklich Lust?

Während er las, hab ich gekocht: Reis, Thymiantomaten und Hähnchenschlegel, für PM Bratkartoffeln mit Zwiebeln und Bohnengemüse. Nach dem Essen ist er auf dem Sofa eingeschlafen – sein erster Arbeitstag nach dem Urlaub, dazu die Untersuchung, war wohl ein bisschen viel.

Bis nachts um zwei an dem Interview mit C.M.-B. gefeilt. Seine Statements sind oft sehr fragmentarisch, vielleicht aus dem Gefühl heraus, in seinen Büchern schon alles gesagt zu haben. Ich muss einiges rekonstruieren, trotzdem bleiben Fragen offen.

Von C.B. kam ein Anruf, er sei mit dem Text d’accord, habe aber noch ein paar Korrekturvorschläge. Außerdem gebe es hier und da noch Missverständnisse. Okay, C.B. spricht in drei Sprachen, er wechselt, ohne es zu merken, von einer in die andere, und Französisch ist nicht gerade meine Muttersprache. Ich denke, wir telefonieren heute Abend noch mal, um das zu klären.

Echte Alternativen

Es ist doch immer wieder ein Wunder, welche Möglichkeiten sich im Leben manchmal auftun und sich als echte Alternative entwickeln und dann auch vieles Bisherige infrage stellen …

Panta Rhei sozusagen, alles verändert sich. In jeder Veränderung entsteht ein Neues (frei nach Platon bzw. Heraklit).

August Macke Haus in Bonn

Montag, B.N. „Nun merke ich immer mehr, welche wundervollen Möglichkeiten die Kunst bietet. … Das Kunstwerk ist ein Gleichnis der Natur, kein Abbild“, schreibt August Macke am 12. Februar 1914 an seinen Künstlerkollegen Hans Thuar.

Kann man nicht das Gleiche von der Literatur behaupten?

Ein halbes Jahr nach dem o.g. Briefwechsel, im September 1914 und damit unmittelbar nach Kriegsbeginn, fällt Macke in Frankreich. Er ist erst siebenundzwanzig Jahre alt, und Deutschland hatte einen visionären und innovativen Künstler weniger.

Promi Big Brother

Dienstag, B.N. In L.’s WG habe ich ein Mädchen kennengelernt, die bei Promi-Big-Brother arbeitet.

Sie ist extra für diesen Job nach Köln gezogen (in das Zimmer von dem Typen, der dachte, er wäre während der Zeit weg, jetzt aber gar nicht weg ist und deshalb solange in der Küche schlafen muss!)

Sie hat mir erzählt, dass ihr Job darin besteht, jeden Tag acht bis neun Stunden Promi-Big-Brother zu gucken, und zwar die gesamten Aufzeichnungen von einer Kamera. Sie muss alles dokumentieren, was da passiert, und mit Hilfe ihrer Dokumentation wird dann von der Regie entschieden, welche Szenen zusammengeschnitten werden für die Sendung.

Es gibt, glaube ich, fünfzig Kameras in dem Haus.

Das Haus und der Keller sind nicht echt, sondern wurden extra für Promi-Big-Brother in das Studio reingebaut.

Sie sagt, sie lerne viel über Gruppendynamik. Sie sagt auch, der Sender zeige nichts, womit die Promis sich total bloßstellen würden, und sie schützten die vor sich selbst.

Hab mir daraufhin die Sendung heute Abend angesehen. Würde gerne mal wissen, wie die Szenen aussehen, die der Sender aufgrund des Selbstschutzes rausschneidet.

Ich finde, die Promis, die übrigens keiner kennt, blamieren sich ununterbrochen. Der Rest ist sehr, sehr langweilig.

Das Mädchen hat Medienwissenschaften studiert. Studiert man dafür, so eine Scheiße zu produzieren, das frage ich mich. Sie meint, das sei Unterhaltung und irgendjemand müsse es machen.

Sie sagt, sie mache einen interessanten Job.

Too cold, too cold …

Montag, B.N. Ich unterbreche jetzt mal meine Arbeit und geh mir eine Jacke kaufen.
It’s too cold, too cold for me!
Wird ja wohl auch nix mehr mit dem Sommer.
Heizen? Im August?
Und in meinem Koffer nur die paar Sachen vom Urlaub: Bikinis, T-Shirts, kurze Röcke, weiße Hosen …
Ach ja, und drei Paar Sandalen!

Pink Hotel

Sonntag, B.N. Hab gerade eine schöne Stelle gelesen (PINK HOTEL)

… ‚Melancholie‘, dachte ich bei mir, ‚von großer Niedergeschlagenheit, Traurigkeit oder Depressivität gekennzeichneter Gemütszustand.‘ Was für ein schönes Wort, das man immer weiterspinnen konnte, das einen zu anderen Wörtern führte, zu ‚Melange‘ und ‚cholerisch‘ beispielsweise, ja sogar zu ‚Liebe‘.

aus: Pink Hotel von Anna Stothard, Diogenes 2013 (S.92)

Von der Arbeitsfront

Samstag, B.N. Wieder ein Interview fertig (C.B.).

Sehr langwierig diesmal. Arbeite jetzt seit einer Woche täglich bzw. nächtlich an dem Text, dabei ist das alles nur Nachschliff. Den Originaltext hatte ich schon vor zwei Monaten bearbeitet.
Jeder Satz muss wieder und wieder abgewogen werden: Stimmt er so mit C.B.s persönlichem Sprachduktus überein? Passt er in die Aufzeichnungssituation? Ist da zu viel Authentizität? Oder zu wenig? Entspricht die Wortstellung der gängigen Syntax? Wie gehe ich mit französischen oder englischen Termini um, die ihm immer wieder unterkommen, dass der Text verständlich – gerade noch verständlich – bleibt? Nur glatt darf er nicht werden. Weil C.B.s Sprache alles andere als glatt ist … C.B. ist polyglott, Wortschatz und Satzbau handhabt er kreativ und unorthodox. Bleibe ich aber zu nah an seiner Sprache, gibt es Irritationen im Lesefluss.
Eine Herausforderung diesmal auch für Frau M., die mir die Sprachaufzeichnungen eins zu eins transkribiert. Manches hat sie wegen des babylonischen Sprachengewirrs falsch verstanden, sodass ich bis zum Schluss immer wieder in die Aufzeichnung reinhören muss. An zwei Stellen bleiben Unsicherheiten, die es noch mit C.B. abzustimmen gilt. Und manchmal widerspricht er sich einfach. Er redet sehr intuitiv, seine Sätze wachsen im Sprechen wie Blüten hervor.
Dann die lange Phase, wo er die Fassung verliert, aber ganz ohne Schere im Kopf spricht, jetzt fast nur noch französisch. Das sind Perlen, zu dechiffrierende Perlen allerdings. Ich krieche in seine Stimme, sein Flüstern, seine Satzfragmente und verschluckten Worte, um die Betonung zu erfassen und von den Deutungsmöglichkeiten die eine einzige, von ihm intendierte …

Diese vielen Stunden nur mit seiner Stimme. Endlose Wiederholungen. Auf die Weise komme ich ihm immer näher. Man hört, dass wir während des Interviews gegessen haben – Kauen, Schlucken, Trinken, Besteckklappern, und immer wieder das Nachschenken von Rotwein, den ich für diesen Abend reichlich besorgt hatte. Ich habe das Gefühl, ihn gut zu kennen. Eine wunderbare, sehr intime Art des Arbeitens.

Das ist, wenn ich fertig bin, jedes Mal wie ein Abschied.

Der Text ist unglaublich dicht. Spannend. Wie wird es auf andere wirken?

Fange heute mit der Bearbeitung des nächsten Interviews an (Ch.M-B)

Geburtstag in Köln

L. hat Geburtstag. B. ist auch gerade in Köln, er wohnt solange mit in der WG.

Die ist eng, chaotisch und gemütlich. Peaceful. Am liebsten hätte ich mich hingelegt und ein wenig geschlafen.

An den Wänden hängen Fotos und Objekte, um das Auge zu beschäftigen. Im Bad gibt es Intensität verleihendes Rotlicht. Die Schuhe baumeln paarweise an Haken in einem Makrameenetz an der Flurwand (geht nur mit Schnürschuhen). Auf dem Dach, unter dem Fenster, wachsen Tomaten, die einer der WG-Bewohner mit viel Liebe betreut. Es ist derselbe, der aus Versehen sein Zimmer untervermietet hat, sodass er nun für eine Zeitlang auf dem Küchensofa schläft.

L. ist rosig und vergnügt, sie und B. lieben sich. Ist schön anzusehen.

Herrschaftswissen

Am Bahnsteig fragt ein Typ – leere Augen, Bierflasche in der Hand, kaputte Leopardenleggings – , ob der Zug bis Bonn fährt.
Ich weiß es nicht und drehe mich zu der Frau neben mir auf der Bank um – ältere Lady mit auffälligen Ohrclips.
Sie schweigt, Blick ins Nirgendwo.
Fährt der Zug bis Bonn?, frage ich sie, und da nickt sie. Blickt immer noch ins Nirgendwo. Sagt nix.
So sind sie, die Leute in diesem katholischen Kurstädtchen. Lassen sich keine Sonntags-, keine Feiertagsmesse entgehen, aber behalten ihr Wissen für sich.

Fegen für Buddha?

Freitag, B.N. Auf dem Weg zum Bahnhof komme ich an einem Typen vorbei, der die Einfahrt seiner Autowerkstatt fegt. Schaufel in der einen, Besen in der anderen Hand, hockt er am Boden und fegt mit geduldigen Bewegungen – von der Schaufel weg.

Buddhistische Übung? Bekifft?