Sonntag. Auf meiner Dachterrasse liegt es sich wie früher in den Sandburgen an der Nordsee. Hinter halb geschlossenen Lidern bewundere ich das Blau des Himmels, die winzigen Wölkchen, die Sonne, meine vielen Pflanzen, die frisch gewässert in ihren Kübeln stehen und ihre glitzernden, lila und pinkfarbenen Blütenköpfe im Wind hin- und herbewegen.
Ich arbeite nicht. Ich liege einfach da und lasse mich von der Sonne umarmen. Ich lese Joey Goebels Freaks, ein Roman, der alles hinter sich lässt, was einen gerade so auf dem Buchmarkt zu Tode langweilt. Gott im Himmel!, Goebel schreibt anders – gossig, böse, sensibel, hochliterarisch, traurig. Und manchmal irre lustig, das knallt dann richtig rein. Was für ein Typ der wohl ist – seine Sprache kocht und brodelt, dass du gar nicht weißt, wie dir geschieht.
(Es gibt ein paar Kommafehler in dem Buch, scheiß drauf, ich muss gerade so viel korrigieren, dass ich auf dem besten Wege bin, ein Rechtschreibjunkie zu werden.)
T. arbeitet unten irgendwas am PC, Ye wohl auch. Heute Morgen haben wir zusammen gefrühstückt und uns erzählt. Sie ist gesprächig, kann gut Deutsch, weiß viel. Wir haben eine kleine Runde durchs Viertel gemacht und ich habe ihr alles gezeigt.
Heute Abend koche ich für uns drei, danach geht es weiter mit den Interviews. Es gibt noch viel zu tun bis zur endgültigen Abgabe im September.
Wenn ich auf meiner Terrasse liege, kann mich niemand sehen. Nur der Himmel, die Sonne, die Flugzeuge. Ich frage mich gerade, ob man an den Nordseestränden noch Burgen bauen darf. Über die Dünen laufen ist verboten, auf Strandkörbe klettern ist verboten, von Strandkörben runterspringen erst recht. Verboten, verboten.
Der Typ, der unter mir wohnt, ein aufgedunsener, violettgesichtiger, ziemlich gestörter Ex-Alkoholiker (vielleicht auch nicht Ex-) brüllt „Drecksau“ vom Balkon. Ich glaube, er meint mich, ich bin sogar ziemlich sicher. Gerade habe ich mein vom Waschen feuchtes T-Shirt überm Geländer ausgeschüttelt und in den Wind gehalten, damit es schneller trocknet, das ist ein persönlicher Angriff. Er steht gerne stundenlang in seinem Zigarettenqualm auf seinem Balkon und brüllt „Drecksau!“ in diese und in jene Himmelsrichtung, etwas anderes fällt ihm auf die Schnelle nie ein, und ich heiße ihn dann „grimassenschneidender Idiot“ oder Ähnliches. In der Regel achte ich auf Abwechslung. Es fällt mir gar nicht so leicht, solche Sachen jetzt hier von der Terrasse herunter zu shouten, in die friedliche, sommerliche Sonntagsstille. Aber dann sage ich mir, los, mach schon!, so bleibst du im Training.
Peststinkender Scheißwichser, armseliger? Fettarschiges Arschgesicht? Suffköpfiger Seuchenfuchs? Oder etwas lahm u. in Anspielung auf den Qualm von unten: Umweltschwein, saublödes?
Spontan entscheide ich mich für Letzteres. Sonntag eben.
Unten schlägt eine Tür – Stille.