Samstag. Ja, ich habe Angst. Ich gebe es frei und unumwunden zu.
Ich habe Angst vor der seit Monaten drehenden Eskalationsspirale an rhetorischer Gewalt gegenüber Russland und Putin.
Ich habe Angst vor den öffentlich-rechtlichen Nachrichten. Es ist schon soweit, dass ich wegzappe, bloß um den Nachrichten zu entkommen. Da vernehme ich nämlich nur noch eins: Die Russen sind schuld, allen voran Putin. Fast egal ist es, um welchen Konflikt es sich gerade handelt. Immer höre und lese ich: Die Russen waren es.
Kriege werden nur von Putin und den Russen angezettelt, Fake News und Cyberkriminalität machen ausschließlich die Russen, Wahlen in den westlichen Ländern werden immer von Russen beeinflusst – ach so, wie war das nochmal mit Jelzin? Mit Poroschenko? Mit Jazenjuk? Nur die Russen haben eine gigantische Propagandamaschinerie und geben Unsummen für Rüstung aus. Doping und exorbitante Waffenexporte, vor allem in die Schurkenstaaten: sowieso die Russen! Immer führt die Spur nach Moskau.
Das hören wir nun schon seit Jahren von Politik und Medien immer und immer wieder. Wobei die Rhetorik von Monat zu Monat eskaliert – irgendwann müssen es doch alle glauben.
Wo ist das Abwägen geblieben, auch das Hinterfragen, wo ist unsere Dialogbereitschaft, wo ist die kritische Begleitung der politischen Klasse durch Journalisten und Medien geblieben? Wann endlich hört dieses James-Bond-mäßige Schwarz-Weiß Denken vor allem und gerade in Bezug auf Russland auf ?
Wann fangen wir endlich an, verbal ab-, anstatt aufzurüsten ?
Es ist an der Zeit, den neuen Kalten Krieg zu beenden und eine neue Ost-Politik zu wagen. Es ist in unser aller Interesse!
Wir bräuchten gerade jetzt so dringend einen neuen Willy Brandt und einen neuen Egon Bahr. Statt einem neuen Außenminister Heiko Maaß, der sich als Erstes die Abgrenzung von Russland auf die Fahnen schreibt.
Ich sehe sie noch nicht, die zeitgemäßen Heldinnen und Helden, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf …