Donnerstag, B.N. Während die Chemnitzer die Welt aus den Angeln heben, ist Merkel in Ghana und versucht Afrika zu retten. „Schöne Maid, hast du heut für mich Zeit“ spielt die ghanaische Militärkapelle für sie auf. Ja, hat sie, danach gehts weiter nach Nigeria. Der Bundespräsident besucht derweil eine Schule in Köln.
Sachsens CDU-Ministerpräsident Kretschmer und die Chemnitzer SPD-Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig suchen am Abend auf einer Großveranstaltung den Dialog mit der Chemnitzer Bevölkerung im sog. „Sachsengespräch“ – das einzig Richtige angesichts der aufgeheizten Stimmung in ihrem Bundesland. Leider stehen die beiden wie ein Schluck Wasser da vorne auf dem Podium des Chemnitzer Stadions mit ihrer geballten rhetorischen Unfähigkeit und ihrer bedrückenden Langweiligkeit – und Ahnungslosigkeit? Sie sind „entsetzt“, haben sie Hoyerswerda, Lichtenhagen, Mölln, Solingen, Heidenau, Köln … eben mal vergessen? Fassungslos hockt die Fernsehkonsumentin vor der Glotze. Ich merke, wie das Gelaber bei mir zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus geht. Kein Satz, kein Wort brennt sich ins Gedächtnis. Das ist wirklich bemerkenswert: Den Politikern fällt nichts zu sagen ein.
Immerhin gibt es einen Brennpunkt (ARD) zu dem Thema, sogar mit Live-Schaltung ins Chemnitzer Stadion. Brennpunkt-Moderator Robert Burdy (MDR) merkt an, dass ja nun niemand Steinmeiers gesalbten Worten (zur o.g. Kölner Schule) widersprechen könne, weil sie wohl wahr, aber schlichtweg inhaltsleer seien. Ich finde, das ist als Fortschritt zu vermerken, dass die Öffentlich-Rechtlichen sich direkt mal kritisch zu unseren Regierungsvertretern stellen …
Die Unruhen draußen gehen weiter: Demonstrant*innen von ProChemnitz, Rechtsradikale, Hooligans und waschechte Nazis, die die Gunst der Stunde nutzen und die Hand zum Hitlergruß heben, versus Gegendemonstrant*innen (in den Medien gerne als „Linke“ bezeichnet), die nicht zulassen möchten, dass ihre Stadt in Verruf gerät. Was der Aufmarsch mit dem ermordeten Chemnitzer zu tun hat? Wohl eher nichts. Der 35-jährige Familienvater mit kubanischen Wurzeln, der der Punk-Szene zugeordnet wird, hat im Leben ganz sicher nichts mit dem rechten Mob am Hut gehabt.
By the way erfahren wir, dass seine mutmaßlichen Mörder, ein 22 Jahre alter Iraker und 23 Jahre alter Syrer, als Tatverdächtige in Untersuchungshaft sitzen.
Der festgenommene Iraker ist nach Angaben des sächsischen Innenministeriums in Deutschland nicht geduldet. Damit widerspricht das Ministerium anderslautenden Meldungen. Nach den Unterlagen der Landesdirektion Sachsen sei noch ein Asylverfahren beim Bundesamt für Migration (Bamf) anhängig. Der Iraker lebe seit Oktober 2015 in Sachsen. Den ersten Antrag habe das Bamf im März 2017 als unzulässig abgelehnt. Rechtsmittel gegen diese Entscheidung seien aber erfolgreich gewesen, weshalb es ein neues Verfahren gibt.
Scheint also irgendwie sehr schwer feststellbar zu sein, warum der Mann überhaupt noch da ist. Ich stelle mir gerade vor, wie es wohl für die Frau des Ermordeten ist, von diesen ganzen Hintergründen zu erfahren …
Chemnitz und Berlin stehen in direktem Zusammenhang, auf mehrfacher Ebene. Wenn Merkel ihr Ding in Ghana erledigt hat, fährt sie dann vielleicht auch mal weiter nach Chemnitz.