Schwere Themen beim Frühstück

Samstag, B.N. Lange, kontroverse Diskussion mit PM über Stammzellentherapie, die Nutzung von embryonalem Material und Organtransplantation. Die Vorstellung, dass ein Embryo, weil embryonale Stammzellen sich schneller teilen, nur Material für ein anderes – höheres? – Leben sein kann, macht mir massive Schwierigkeiten. Die Vorstellung, dass ein Anderer erst sterben muss, um MIR das Leben zu retten, auch.

Meine Horrorvision in Bezug auf Stammzellentherapie: Alte, Reiche eignen sich das Genmaterial von Armen, Jungen an, um ihr kostbares Leben zu verlängern …

Da wir im Kapitalismus leben und auch die Medizin sich nach gewinnorientierten Maximen richtet, liegt der Missbrauch einfach zu nahe. Dieser zeigt sich immer wieder besonders in der Transplantationsmedizin. Den Möglichkeiten, durch Organtransplantation Leben zu erhalten, steht ein eindeutiger Mangel an geeigneten Spenderorganen gegenüber. Ist da nicht die Versuchung immens, die gesundheitliche Notlage des lebensgefährlich Erkrankten sowie die wirtschaftliche Notlage des gesunden Organspenders auszunutzen, jenseits aller juristischen und medizinethischen Absicherungsbestrebungen?

In Deutschland ist die Regelung so, dass, wenn ein Verunfallter als Organspender infrage kommt, mindestens zwei qualifizierte Ärzte den irreversiblen Ausfall der Hirnfunktionen unabhängig voneinander feststellen müssen. Diese Ärzte dürfen nicht an der Entnahme oder der Übertragung von Organen oder Gewebe des Spenders beteiligt sein, das heißt, sie dürfen keine Eigeninteressen haben. Sie dürfen auch nicht Weisungen eines Arztes unterstehen, der daran beteiligt ist.

Damit setzt mein Misstrauen bereits ein. Wird diese gesetzliche Bestimmung wirklich in jedem Einzelfall eingehalten? Und wenn nicht, wie erst sieht es mit dem Verbot des Organ- und Gewebehandels aus? In Deutschland und in der Schweiz gibt es akute Bestrebungen, die strengen Bestimmungen des Organhandelverbots zu lockern.

Die schier unerträgliche Vorstellung, dass arme oder einfach wehrlose Menschen mehr oder weniger freiwillig ihre Organe hergeben, war vor dreißig Jahren noch Thema von SkiFi-Horrorfilmen (z.B. der deutsche Spielfilm Fleisch). Die Realität hat sie längst eingeholt. Horrorberichte keineswegs nur aus Indien, Brasilien, Afrika oder China, sondern auch aus Ägypten, der Türkei, Moldawien, der Ukraine, Rumänien und Georgien über illegale Entnahmen von Zellen, Organen und Geweben, zum Teil sogar staatlich sanktioniert (in China!), bestätigen dies tagtäglich. So wurden in der Leichenhalle eines ägyptischen Krankenhauses Tote gefunden, deren Körper in der Mitte oder an den Seiten mit großen Stichen wieder zugenäht worden waren; Nieren, Leber, Herz und Augenlinsen waren ihnen entfernt worden.

Als Empfänger eines fremden Organs ist man Profiteur eines tragischen Todesfalles. Natürlich ist es ein Riesenunterschied, ob es sich um einen illegalen oder legalen Todesfall handelt. Dennoch – wie lebt es sich mit dem Organ eines in jedem Fall zu früh Verstorbenen?

Ein Mensch, auch ein verstorbener Mensch, ist kein Ersatzteillager für andere Menschen. Ich weiß es nicht, doch ich vermute, auch wenn ich selbst in die Lage käme, mein Leben nur durch die Organspende eines anderen Menschen verlängern zu können, wäre es mir schwer möglich, mich mit dem ausbeuterischen Aspekt, der doch dahinter steht, auszusöhnen. Der tote Mensch wäre dann lediglich als Material, als Objekt zu betrachten, das mir zunutze wäre. Was aber gäbe mir, als Empfängerin, das Recht dazu?

Etwas anderes ist es, wenn Familienangehörige als Lebensspender sich zur Verfügung stellen. Aber das ist dann auch ein anderes Thema.