Dienstag, Diano Marina. Ich schwimme jetzt jeden Tag eine halbe Stunde, das ist einfacher als Runden zählen. Und dabei muss ich doch tatsächlich mal wieder daran denken, dass ich den Freischwimmer, also das Zertifikat, also das runde Stück Stoff mit der einen Welle, das dann später auf meinen Mädchenbadeanzug genäht wurde, unrechtmäßig erworben habe, weil ich da, wo das Kamener Schwimmbad flach wurde, auf dem Boden langgelaufen bin. Wie die blauen Kacheln sich unter den Füßen angefühlt haben, weiß ich noch wie heute, das ist ja Über-Ich-mäßig schon ein bisschen daneben.
Der Bademeister hatte Besseres zu tun als am Beckenrand mein Heldenstück zu beobachten. Er verkrümelte sich in sein Kabuff und kam mir nicht auf die Schliche. Jahrelang habe ich gemutmaßt, gar keine viertel Stunde durchhalten zu können und demnach auch keinen Freischwimmer zu besitzen.
Das ist das gleiche wie mit dem Mathe-Abi, von dem du zig Mal, vorzugsweise in Stresssituationen, träumst, irgendeine übergeordnete Behörde würde es dir wegen Betrugsversuchs nachträglich aberkennen. Aber ich habe mein Abi und den Freischwimmer und auch sonst noch so einiges. Schließlich schwimme ich jetzt schon mehr als dreißig Minuten hier herum – Lizenz zum Fahrtenschwimmer, zwei Wellen! – wieso also denke ich viel öfter über das nach, was nicht oder nicht so glatt geklappt hat, als besser mal darüber, wofür ich mich übelst krumm gelegt und mit Leidenschaft gekämpft habe, bevor es verdientermaßen von Erfolg gekrönt war?
Ja, und solche Ratgeberweisheiten erspare ich mir heute, bei dreißig Grad unter der Sonne, auch nicht.