Mittwoch, B.N. Weniger essen und mehr Sport, gesunde Ernährung, Alkohol- und Zigarettenverzicht, keinen Streit, weniger Stress, weniger Geldausgeben, mehr “Simplify your life” durch Pünktlichkeit und Ordnung und viel mehr Zeit für sich –
das sind laut Umfragen die häufigsten Silvestervorsätze für 2016. Dass es meistens, nein, immer bei den guten Vorsätzen bleibt, weiß jeder. Warum das so ist, kann man auf diversen Ratgeberseiten nachlesen. Damit es diesmal mit der Selbstoptimierung besser klappt, tu ich das umgehend: Auf der Seite Praktisch Anwendbare Lebenshilfen, kurz: PAL.
Und erfahre, dass unser Scheitern im Wesentlichen daran liegt, dass die Ziele zu hoch gesteckt (25 Kilo in drei Wochen abnehmen) oder zu diffus formuliert sind (gesünder leben). Statt dessen brauche es eine Vision! Ein klares Bild von dem Leben, das ich im neuen Jahr anstrebe. Bei Teilerfolgen sollen wir uns loben und stolz auf uns sein. Wir sollen nichts auf morgen verschieben und akzeptieren, dass Vorsätze umzusetzen keine lustbetonte Sache sei.
Wenn ich mir also die Toplist der guten Vorsätze zu Herzen nehme, denn unterschreiben kann ich sie alle, dann ergibt sich folgendes klare Bild von mir: Ich knabbere an einem Kiwifrüchtchen, während ich mir schon die Tasche fürs FitnessStudio über die Schulter werfe, Lust hin oder her. Meinen Geldbeutel öffne ich nur für das Allernotwendigste. Genervt winke ich ab, wenn ein unwissender Trottel mir einen Grappa oder eine Pina Colada oder gar eine Rauchware anbietet. Meine Wäsche liegt gebügelt und gefaltet im Schrank im picobello aufgeräumten Schlafzimmer. Zu jeder Verabredung stelle ich mich als Erste ein (kach!). Ich sehe und höre weg und rege mich nicht auf, wenn andere Leute, was ja vorkommen soll, Scheiße bauen. Und wenn ich selber Scheiße baue, verzeihe ich mir umgehend. In Summa: Ich bin der Liebling der Krankenkassen. Das durchtrainierte, bewussternährte, alltagsstrukturierte, lasterfreie, kommunikationsgeschulte, stressresistente Cover-Model der Apotheken-Umschau. Da bin ich aber nun doch ein wenig erschrocken!
Doch wie sagt Diplompsychologin Dr. Doris Wolf es so schön:
Die Vorsätze müssen zu Ihnen passen. Machen Sie sich ein fremdes Ziel zueigen, reicht die Motivation nicht aus.
Okay, ich fange nochmal von vorne an. Am besten bei der Silvesterplanung. Sie beginnt damit, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben nichts geplant habe. Und das ist die Wahrheit: Kein Silvestermenü, keine Leute, keine Party. Das wird ein Jahreswechsel der etwas anderen Art: Essen, Trinken, auf dem Sofa liegen, Fernsehen.
Mein Liebster, da habe ich einfach Schwein, ist einer, der nicht beschimpft werden muss. Streit wird es also keinen geben. Wie macht er das? Er kocht für mich. In regelmäßigen Abständen hält er mir einen Prosecco oder einen Ouzo unter die Nase. Er erzählt lustige Sachen, wenn Grundsatzzweifel mich erfassen, beispielsweise über Ernährung, Pünktlichkeit, Geldausgeben. Wir werden, soviel steht jetzt schon fest, auch im kommenden Jahr Schokolade essen, ich werde unpünktlich wie die Deutsche Bahn sein und wir werden den Euro nicht umdrehen, bevor wir ihn für gutes Essen, Urlaub und das eine oder andere überflüssige Kleidungsstück ausgeben.
Wir werden den ganzen Abend nicht auf die Uhr sehen. Wir werden also Zeit für uns haben. Wenn alle anfangen zu böllern, dann würde auch mein Liebster am liebsten rausgehen und die eine oder andere Rakete in den Himmel abfeuern. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht gucken wir uns noch viel lieber, wie schon in den vergangenen Jahren, unseren Favoriten unter den schönsten Feuerregen am Nachthimmel über B.N. aus.
Danach werden wir uns wieder auf das Sofa oder den Teppich legen und irgendeinen angefangenen Film oder eine angefangene Reportage zu Ende sehen. Darüber werden wir uns gemeinsam aufregen, denn gemeinsames Aufregen macht stark. Mit Sicherheit ist auch noch ein zucker- und fetthaltiger Nachtisch da. Wenn alles aufgegessen und ausgetrunken ist, werden wir nichts aufräumen. Wir werden einen kurzen Blick auf die abgefutterten Teller und Töpfe werfen und die Küchentür schließen.
Und wissen, dass wir direkt in der Nacht zum Neujahr sämtliche Vorsätze abhaken können.
Das ist uns ein Lob wert. Wir sind gut! Wir haben uns viel vorgenommen und viel geschafft. Wir haben uns nicht beirren lassen, wir haben o. g. Vorsätze auch nicht auf morgen verschoben. Sondern sie durchschaut: Sie passen alle nicht zu uns.
Wenn ich diesen Abend gedanklich vorwegnehme, dann erkenne ich, dass mein Verhalten mich jetzt schon positiv verändert hat. Ich habe den inneren Schweinehund von der Leine gelassen. Wenigstens für eine Nacht.
Vision erfüllt.