Süßer König Jesus

Sonntag. Süßer König Jesus von Mary Miller ist ein Roadmovie. Bei manchen Roadmovies fragt man sich, warum sie eigentlich geschrieben wurden, denn leider ist nicht jede(r) AutorIn, die/der sich an dem dauerangesagten Genre abarbeitet, ein Jack Kerouac oder Philippe Djian.

Bei Süßer König Jesus stellt sich die Frage nicht. Dieser Roadmovie steuert ein Ziel an: Die Entrückung! Eine ganze Familie hockt tagelang im Auto auf dem Weg von Alabama nach Kalifornien, dem Untergang der Welt und damit verbunden der Erhebung auserwählter  Christen – also auch ihrer eigenen – entgegen. Unterwegs heißt es für die evangelikale Kleinstgruppe, Vater, Mutter und zwei halb erwachsene Töchter, noch möglichst viele Menschen zu erretten, sprich, Flyer zu verteilen mit den Top Ten der christlichen Botschaft.

Das Buch ist so trivial, dass es fast weh tut, aber das so gekonnt, dass es einen fix und alle macht. Nicht nur darin erinnert es an Christian Krachts Faserland. Man kann nicht anders, man ist auf dem besten Wege selbst zu entrücken in dieses seltsame und abgeriegelte Universum von Auflehnung und Frömmigkeit, von Wollen und Sollen, von Fast Food und Bibel-Billard, von Sex und vor dem Vater abgelegten Reinheitsversprechen.

Die Töchter wollen Jungs kennen lernen, die eine ist bereits schwanger, wovon die Eltern nichts ahnen. Die Eltern sind sanfte, übergewichtige Leute mit Diabetes und Haarausfall. „Sag nicht hassen!“, ermahnt die Mutter, „Wer kriegt was?“, fragt der Vater, der zum weiß der Teufel wievielten Mal Teller von McDonald’s oder Pizza Hut oder Taco Bell oder Dunkin‘ Donuts heranschafft.

Die beiden Mädels, verblüffend unwissend, fernsehviertelgebildet und stets darauf bedacht, sich vom White Trash abzuheben („Dabei waren wir handfeste Mittelklasse. Unsere Eltern hatten Collegeabschlüsse“) glauben nicht an Gott. Sie glauben an alte Spielfilme aus den achtziger Jahren. An schnelles, fettes Essen, an süße Jungs. Warum Christen so hässlich sind und ob es auch hässliche Atheisten gibt, fragen sie sich, während sie Pizza und Karamellriegel, Oreo-Kekse und Granola, Raketeneis und Popcorn in sich reinschaufeln und die Verpackungen auf den Boden des jeweiligen Motels werfen, in dem sie die Nacht verbringen und im Pool neue süße Jungs aufreißen.

Die Schwangere ist Vegetarierin, die andere, nicht so Hübsche, hat ein Problem mit ihrem Gewicht. Ihre weißen König-Jesus-T-Shirts oder die schwarzen Jesus-kommt-zurück-Shirts müssen ab und an ausgewaschen werden. Viel mehr Probleme scheint es unter ihrem amerikanischen Mädchenhimmel nicht zu geben. Der Vater hat keinen Job, was irgendwann auf der Fahrt rauskommt und irgendwie auch nicht weiter schlimm ist, weil ER, Gott, es eben so entschieden hat, und die Mutter, Lehrerin, versucht den drohenden Zerfall mit unerschöpflicher Geduld zu verhindern.

Sie lieben sich. Das ist das Erstaunlichste.