Samstag, B.N. Wieder ein Interview fertig (C.B.).
Sehr langwierig diesmal. Arbeite jetzt seit einer Woche täglich bzw. nächtlich an dem Text, dabei ist das alles nur Nachschliff. Den Originaltext hatte ich schon vor zwei Monaten bearbeitet.
Jeder Satz muss wieder und wieder abgewogen werden: Stimmt er so mit C.B.s persönlichem Sprachduktus überein? Passt er in die Aufzeichnungssituation? Ist da zu viel Authentizität? Oder zu wenig? Entspricht die Wortstellung der gängigen Syntax? Wie gehe ich mit französischen oder englischen Termini um, die ihm immer wieder unterkommen, dass der Text verständlich – gerade noch verständlich – bleibt? Nur glatt darf er nicht werden. Weil C.B.s Sprache alles andere als glatt ist … C.B. ist polyglott, Wortschatz und Satzbau handhabt er kreativ und unorthodox. Bleibe ich aber zu nah an seiner Sprache, gibt es Irritationen im Lesefluss.
Eine Herausforderung diesmal auch für Frau M., die mir die Sprachaufzeichnungen eins zu eins transkribiert. Manches hat sie wegen des babylonischen Sprachengewirrs falsch verstanden, sodass ich bis zum Schluss immer wieder in die Aufzeichnung reinhören muss. An zwei Stellen bleiben Unsicherheiten, die es noch mit C.B. abzustimmen gilt. Und manchmal widerspricht er sich einfach. Er redet sehr intuitiv, seine Sätze wachsen im Sprechen wie Blüten hervor.
Dann die lange Phase, wo er die Fassung verliert, aber ganz ohne Schere im Kopf spricht, jetzt fast nur noch französisch. Das sind Perlen, zu dechiffrierende Perlen allerdings. Ich krieche in seine Stimme, sein Flüstern, seine Satzfragmente und verschluckten Worte, um die Betonung zu erfassen und von den Deutungsmöglichkeiten die eine einzige, von ihm intendierte …
Diese vielen Stunden nur mit seiner Stimme. Endlose Wiederholungen. Auf die Weise komme ich ihm immer näher. Man hört, dass wir während des Interviews gegessen haben – Kauen, Schlucken, Trinken, Besteckklappern, und immer wieder das Nachschenken von Rotwein, den ich für diesen Abend reichlich besorgt hatte. Ich habe das Gefühl, ihn gut zu kennen. Eine wunderbare, sehr intime Art des Arbeitens.
Das ist, wenn ich fertig bin, jedes Mal wie ein Abschied.
Der Text ist unglaublich dicht. Spannend. Wie wird es auf andere wirken?
Fange heute mit der Bearbeitung des nächsten Interviews an (Ch.M-B)