Sonntag Vormittag, Erfurt. Am Abend dann lerne ich UA kennen. Soviel vorweg: PMs Freunde sind auch meine Freunde. Dieser UA hat einen Tisch bestellt. Beim größten Italiener, den ich je gesehen habe, eine tadellose Riesenkneipe, den Erfurter Sizilianern sei Dank.
UA und PM haben sich seit 25 Jahren nicht gesehen. Macht aber nichts, sie schließen da an, wo sie damals aufgehört haben, und das geht nur bei ziemlich besten Freunden. UA erzählt von Justizskandalen aus seiner unmittelbaren Praxis, dass dir schwindelig wird. Ich hoffe, dass er sie eines Tages aufschreibt und veröffentlicht.
Nicht zum ersten Mal wurde mein Glaube in die deutsche Justiz, in unsere hochgelobte Demokratie erschüttert, als Uwe Soukup die Hintergründe der Erschießung von Benno Ohnesorg aufdeckte (Die Vertuschungsversuche der obduzierenden Ärzte im Krankenhaus Moabit …). Das zweite Mal, auf sehr nachhaltige Weise, war anlässlich der Kette toter ZeugInnen im NSU-Prozess. Anlässlich der offensichtlichen Verstrickung von V-Männern und rechtsradikaler Szene. Und jetzt diese Stories. Recht und Gesetz – Pustekuchen. Das glaubt einem keiner, das sind so machtgetriebene, bösartige, menschenverachtende, eigennützige, von den Beweggründen her ganz triviale Geschichten lediglich zu dem Zweck, die falschen Karrieren und die falschen Opfer zu produzieren, und keiner wagt sich da ran aus lauter Angst, der eigene Kopf könnte rollen.
Für UA, für PM, für Sabine der zusätzliche Frust: Es ist nicht die DDR, wo das passiert, es ist die BRD. Bis das alles rauskommt, wenn es überhaupt rauskommt, sind die Beteiligten pensioniert oder tot. Acht Suizide in UA’s Mitarbeiterstab in den letzten fünf Jahren sind eine sprechende Bilanz.
Um zwei Uhr morgens, inzwischen sind wir in die Engelsburg gewechselt – nach den vielen Jahren immer noch ein selbstverwalteter Studentenclub -, entsteht kurz mal eine Pause. Die letzten 25 Jahre sind full speed durchgearbeitet, PM und UA starren in ihre Biergläser. Sabine ist längst gegangen und ich kann nicht mehr. Seit geschlagenen acht Stunden lausche ich jetzt ihren zum Teil schwer verdaulichen Geschichten, die immer schneller und immer lauter vorgetragen werden, PM von links, UA von rechts. Nur einmal gelingt es mir meinerseits, UA sprachlos zu machen: als ich ihm meine Pläne von der Fortgeschrittenen-WG darlege.
Das hat er noch nie gehört, so ein Stuss aber auch! Aber irgendwie kommt er nochmal darauf zurück, und dann nochmal. Warum ich ihm das erzähle, fragt er, und ob das etwa eine Einladung sei.
Er habe mal im Fernsehen einen Film über so was gesehen, sagt er, mit Gisela Schneeberger.
Ja schön, sage ich, aber ich glaube, ich meine was anderes.
Vielleicht hab ich ihm ja jetzt auch eine Denkaufgabe mitgegeben. Meinem neuen Freund …