Deal

Mittwoch, Tübingen. Zwei, drei Tage TopThema in den Medien: Der Big Deal zwischen v.d.Leyen und Trump.
750 Milliarden US-Dollar für US-Energie plus zusätzliche 600 Milliarden Dollar mehr Investition in die USA plus von der EU abgenickte 15-Prozent-Zölle auf EU-Waren – kein Zoll auf US-Waren. Und im Gegenzug? Das war der Gegenzug. Weil, die EU-Zölle hätten ja auch 30 Prozent … oder 100 Prozent … wir sind also nochmal gut weggekommen.
Sehr teures LNG aus den USA, gewonnen durch das in Deutschland verbotene Fracking, das muss der Bevölkerung der europäischen Staaten jetzt nur noch schmackhaft gemacht werden.
V.d.Leyen: Man wolle ja absolut weg von fossiler Energie aus Russland. Deshalb sei es gut, mehr erschwingliches und besseres Flüssiggas von den USA zu kaufen.
Wow! Unsere Köpfe sind langsam so flexibel wie weichgekautes Kaugummi. Eben noch ging’s um Klimawandel und Heizungsgesetz, aber so ist das mit den Prioritäten. Weg vom Russen – dafür zahlt man doch gerne das Dreifache vom bisherigen Energiepreis, oder nicht? Festgezurrt damit eine Feindschaft auf ewig und eine Freundschaft auf ewig. Zumindest so lange, wie die DealpartnerInnen am Hebel sitzen.
Geht das nur mir so? Dieser deprimierende Anschein, dass politische Entscheidungen nicht mehr nachvollziehbar, oder schlimmer noch, ganz furchtbar falsch sind? Dass sie der Logik meiner Lebenserfahrung widersprechen? Nicht mal schönreden kann ich sie mir mehr. Früher hätte ich gedacht: Lässt sich später noch korrigieren. Diese Gewissheit wird mir, u.a. durch die Gigantomanie, die sich in den Summen widerspiegelt, zunehmend entzogen. Ich werde in eine Richtung gedrängt, in die ich nicht will. Eine Richtung, die dazu noch alternativlos scheint: Medien und Regierung einigen sich auf Narrative, als hätten ihre VertreterInnen das eigenständige Denken an der Garderobe abgegeben.
Wo ist mein individueller Spielraum? Was nützt mir die Demo, die Unterschrift unter eine Online-Petitionen, der Post in irgendwelchen sozialen Medien, das Kreuz unter eine Partei, die sich letztendlich in Kompromissen zerreibt? Die Machtlosigkeit des Individuums stabilisiert sich entgegengesetzt dem inflationären Demokratie-Gerede auf den politischen Bühnen. Demokratie heißt Austausch, nicht k.o.-Schlagen. Die schlimmsten Demokratiefeinde sind die, die am lautesten ihre Gefährdung herbeischreien. Ihr Favorit unter den rhetorischen Stilmitteln: das absichtliche Missverständnis, gepaart mit Framing in eine anrüchige Schublade (Putinversteher, Fünfte Kolonne …) Oder: „Fossile Energie aus Russland“ versus „Flüssigerdgas aus den USA“, als würde das US-Gas wie von selbst aus frischen Quellen sprudeln – platteste Rhetorik für die dumpfe Masse, für uns!
Es ist das geistige Klima, das mich erdrückt.
Die Mutlosigkeit der Jugendlichen – ich arbeite jeden Tag mit ihnen – müsste der Politik ein feuerrotes Warnsignal sein. Es gibt nichts Schlimmeres als mut- und perspektivlose Jugendliche. An diesem Problem redet die Politik jeden Tag vorbei. Und verschärft es, anstatt es zu beheben.
Würde ich heute noch Kinder in die Welt setzen? Ich sehe um mich herum junge Leute, die das nicht tun. Nicht, weil sie zu wenig Geld hätten. Sondern weil ihnen die Gründe fehlen. Warum einem neuen Menschenwesen Leben schenken, wenn die Zukunft von Angst statt Hoffnung getragen ist?
Ach ja, das Thema ist übrigens mehr oder weniger durch. Schon wird eine neue Sau durch die Medienlandschaft gejagt: Luftbrücken für Gaza. Und Deutschland steht mal wieder ganz vorne! Vergisst alles, was diesen Krieg ausgelöst hat, und geriert sich als Weltenretter. Dem Zynismus sind keine Grenzen gesetzt: Die Bilder von hungernden Kindern gegen v.d.Leyens Frackinggas-Milliarden – schauen wir mal, wie schnell unsere Kaugummihirne vergessen.