Das Schweigen der deutschen Öffentlichkeit zu den Geiseln der Hamas ist beschämend
Die Deutschen rühmen sich gerne dafür, aus ihrer Geschichte gelernt zu haben. Im Umgang mit den von der Hamas verschleppten deutschen Staatsbürgern versagen jedoch Politik und Gesellschaft auf ganzer Linie.

Ein Gedenkort für die Opfer des Hamas-Massakers auf dem Gelände des Nova-Festivals, von dem auch der deutsch-israelische Doppelbürger Rom Braslavski entführt wurde.
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Rom Braslavski ist abgemagert, die Haare kurz geschoren, dunkle Schatten liegen unter seinen Augen. Tränen laufen über sein Gesicht, während er um seine Freiheit bittet. Er habe kaum noch Essen, kein Wasser – er stehe am Tor zum Tod.
Das Video, das den jungen Mann so verzweifelt zeigt, stammt von der Terrororganisation Islamischer Jihad. Der deutsch-israelische Doppelbürger wurde am 7. Oktober 2023 von den Horden der Hamas am Nova-Festival entführt. Seither wird er von den Terroristen festgehalten. So wie Evyatar David, von dem am Wochenende ein ähnlich grausames Video veröffentlicht wurde.
Die Sprache der Bilder ist eindeutig. Die Männer sind nur noch Haut und Knochen. Letztmals sah man Juden in diesem Zustand, als die Konzentrationslager der Nazis befreit wurden.
Umso erschreckender waren die Reaktionen in Deutschland. Einen grossen Teil der Deutschen liessen diese Bilder offenbar kalt. Der grosse Aufschrei blieb aus. Das muss umso mehr verwundern, als Braslavski, wie gesagt, deutscher Staatsbürger ist.
Die Regierung äussert sich auffallend distanziert
Sicher, die Bundesregierung hat diese Barbarei verurteilt. Der Kanzler Friedrich Merz zeigte sich «entsetzt» über die Videos. Der Aussenminister Johann Wadephul sagte, er sei in Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen. Sie konnten damit jedoch nicht wettmachen, was die Politik nach dem 7. Oktober 2023 sträflich versäumt hat: das Schicksal der verschleppten deutschen Staatsbürger im öffentlichen Bewusstsein zu verankern.
Im Gegenteil: Die Bundesregierung äussert sich auffallend distanziert zu den deutschen Geiseln. Das zeigte sich etwa auch im Fall der deutsch-israelischen Familie Bibas. Die Tatsache, dass die Leichen der Mutter Shiri Silberman Bibas und ihrer Söhne Ariel Bibas und Kfir Bibas nach Israel übergeführt wurden, war dem damaligen Kanzler Olaf Scholz ganze vier Sätze auf X wert. Darin schaffte er es sogar noch, den Namen der Mutter falsch zu schreiben.
Dieses Desinteresse spiegelt sich auch in weiten Teilen der Gesellschaft wider. Von öffentlichen Bekundungen der Solidarität mit den Mitbürgern, die in den Tunneln der Hamas gefoltert, vergewaltigt und ausgehungert werden, hört man selten.
Stattdessen ziehen Anhänger der Hamas und propalästinensische Aktivisten regelmässig durch die Strassen Berlins und anderer deutscher Städte. Plakate mit den Fotos der verbliebenen Geiseln werden abgerissen oder überklebt. Offene Briefe werden nur für die Versorgung der Bevölkerung des Gazastreifens geschrieben.
Ein Armutszeugnis für Deutschland
Warum ist das so? Wer, wenn nicht die Geiseln, sind die deutlichsten Opfer dieses Krieges? Am 7. Oktober wurden sie von der Hamas entführt – aus ihren Wohnzimmern, aus Bunkern oder von einem Musikfestival. Seitdem vegetieren sie in den Tunneln und Verliesen der Hamas. Sie tragen keine politische Verantwortung, sie haben keine Schuld.
Das lässt nur einen bitteren Schluss zu. Das «Vergehen» der Geiseln scheint darin zu bestehen, dass sie jüdisch sind. Das macht sie in den Augen vieler offenbar zu keinen richtigen Deutschen. Deutscher Pass hin oder her. Anders kann man sich den ausbleibenden Aufschrei kaum erklären. Es ist ein Armutszeugnis für ein Land, das sich so gerne dafür rühmt, aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt zu haben.
Dass es anders geht, zeigt ausgerechnet der von den Deutschen gerne belächelte US-Präsident Donald Trump. Seine Regierung hat direkt mit der Hamas verhandelt. Mit Erfolg: Nach achtzehn Monaten kam der amerikanisch-israelische Doppelbürger Edan Alexander frei – und wurde später von Trump im Weissen Haus empfangen.
Konkrete Verbesserungsvorschläge gibt es jedoch auch in Merz’ und Wadephuls eigener Partei. Der CDU-Aussenpolitiker Armin Laschet fragte am Wochenende völlig zu Recht, weshalb es die Staatsspitze nicht schaffe, täglich die Namen der deutschen Geiseln zu nennen und ihre Freilassung zu fordern. Es ist das mindeste, was die Bundesrepublik ihnen schuldet.
Rom Braslavski ist 21 Jahre alt und vor fast 2 Jahren wurde er entführt und seither lassen ihn seine Entführer hungern. Als deutsch-israelischer Staatsbürger hat er auch ein Recht darauf, dass die deutsche Botschaft in Israel darauf dringt, dass die israelische Regierung einen Austausch von Geiseln gegen … Häftlinge, Kriegsgefangene, Nahrungsmittel (?) anbietet. Mehr an Hebeln gibt es nicht. Was wird sein, wenn er stirbt ? Die Belagerung von Gaza muss enden.



Ich frage mich in der Tat verwundert, dass man von deutschen Politikern, vor allem sogar von (ehem.) Regierungsmitgliedern und ihrer Klientel, die Deutschland zum Kotzen finden, allen Ernstes erwartet, dass sie für ‚Deutsche‘ eintreten sollen.