Samstag. Meinen Lieblingspatenonkel U. und meine Lieblingstante S. in Hamburg freuen sich über unseren Besuch. Wieviel Kraft es ihn kostet, Gastgeber (Tee und Kekse) und Zuhörer und Geschichtenerzähler für uns zu sein mit seinen 95 Jahren, das zeigt sich nur in ganz wenigen Momenten.
Wieviel Kraft es sie kostet, uns mit leiser Stimme einen Witz zu erzählen, das treibt mir die Tränen in die Augen. Sie trägt ihre Perlenohrringe. Sie liegt seit Wochen auf dem Rücken im Bett, sich selbst umzudrehen schafft sie nicht mehr.
Sollen wir morgen nochmal vorbeikommen?
Nein, sagt er nach kurzem Nachdenken: Der Kraftaufwand heute reiche für die ganze Woche.
Seine unsentimentalen Ansagen sind nie verletzend. Sondern klar und realitätsbezogen. Die beiden waren mir immer Vorbild. Das bleibt bis ins hohe Alter so. Vor einem halben Jahr sind sie ins Betreute Wohnen gezogen. Die hamburgisch geschmackvoll eingereichtete 2-Zimmer-Wohnung geht auf die Elbe raus, durch das große Panoramafenster sieht man die Schiffe vorbeiziehen. Sie treffen ihre Entscheidungen selbstbestimmt. Im Regal steht ein Foto von ihrem Sohn: Mein vor zweieinhalb Jahren verstorbener Lieblingsvetter Jakob (hier im Blog Jerome).
Wir fahren nach Kiel weiter und treffen uns am nächsten Morgen zum Frühstück im wunderschönen Maritim mit meinem Bruder und seiner Frau. Kiel löst immer so was in mir aus, was ich mit Freiheit und Heimat verbinde. Die Weite des Meeres, die breiten Wege, die Menschen, die gut drauf sind.
Deine Tante liegt im Sterben, hat er am Telefon gesagt.
Ich bin froh, dass PM dabei ist.