Ulf Merbold: Himmlischer Ritt

erscheint am 27.04.2025:

“ So einen Start kann ich gar nicht in Worten beschreiben. Man hat natürlich
Angst und muss lernen, damit umzugehen und damit klarzukommen, aber
auf der anderen Seite ist es auch unglaublich spannend, wenn man dann
zum ersten Mal die Zeit hat, an ein Fenster zu gehen und rauszugucken.
Was man da sieht, übertrifft alle Erwartungen.
Ich habe insgesamt drei Flüge machen dürfen, und ich kann wirklich
sagen, die schwierigste Phase war jedes Mal die Zeit des Wartens auf den
Start. Also die letzten zwei Stunden vor dem Countdown. Da sitzt man
dann schon im Shuttle oder in der Sojus-Kapsel und ist eigentlich nur noch
als Randfigur beteiligt.
Man hat viel Zeit, sich über die eigene Situation Gedanken zu machen,
und natürlich denkt man daran, dass von diesen 2.000 Tonnen Start
gewicht das meiste brennbares Material ist. Besorgt hat mich immer die
Frage, ob ich das in mich gesetzte Vertrauen bestätigen kann, nämlich die
Experimente, die mir überlassen wurden, fehlerlos durchzuführen, damit
sich die hochgesteckten Erwartungen an gute, belastbare wissenschaftliche
Daten am Ende auch erfüllen.
Wenn das Ding dann losgeht, ist das ein unbeschreibliches Gefühl!
Der Shuttle mit seinen 2.000 Tonnen hat auf einem Schlag 3.000 Tonnen
Schub. In dem Maße, wie der Treibstoff verbraucht wird und die Tanks lee-
rer werden, nimmt die Beschleunigung beständig zu. Es kostet nur achtein-
halb Minuten, dann hat man vertikal nach oben 250 km zurückgelegt und
eine Geschwindigkeit von 27.000 km/h erreicht. Was ich hier schildere,
hört sich so technokratisch an, aber in Wahrheit ist es ein himmlischer Ritt!