Dienstag. Morgen Lesung mit meinem neuen Buch Was wirklich zählt – 18 Mal Hoffnung in Krisenzeiten.
Noch nie habe ich mich dermaßen unvorbereitet gefühlt. Was ich ja nicht bin, es ist ein Gefühl. Kenne jedes Komma in diesem meinem Buch, so oft habe ich es wieder und wieder korrekturgelesen und verbessert und rückverbessert und nochmal gelesen – jetzt wirklich für die aller-allerletzte Korrektur: Laut, leise, auf Papier, auf dem Bildschirm.
Korrekturen, ein Wort, das zum Synonym meines Lebens geworden ist.
Es hat nichts mit Vorbereitung zu tun. Vielleicht muss ich NACHBEREITEN:
Was mache ich hier? Warum bin ich hier, und wieso bilde ich mir ein, hier „heimisch“ werden zu können? Ausgerechnet ich als Dauerheimatlose? Kaum ein Wort kommt in meinem Blog (meine verschriftliche Lebensbewältigung) so häufig vor wie das Wort Heimat. Heimat I, Heimat II, Heimat III. Und jetzt wieder: Meine neue Heimat, mein Zweitwohnsitz, steuerpflichtig – das auch noch, und sperrig bis zum Gehtnichtmehr. Wer will mich hier, wen oder was (Akkusativ, erst heute morgen meinen Neuntklässlern zum x-ten mal eingebimst) will ich hier?
Ich will immerzu irgendwas. Das unterscheidet mich, glaube ich, von meiner neuen Umgebung. Hier will niemand was, oder denke ich das bloß? (Siehe das große Loch im Schaufenster des Antiquitätenhändlers, das dort seit 1 1/2 Jahren klafft, nämlich seit ich ihm damals, also vor 1 1/2 Jahren, aus dem Schaufenster raus den Tisch und die drei Stühle abgekauft habe …). Veränderung unerwünscht. Kannste gleich bleiben lassen! höre ich nicht gefühlt, sondern gefühlsecht einmal pro Tag. Mindestens. Das Loch im Schaufenster des Antiquitätenhändlers ist mir zum Synonym geworden.
Ich lass nichts bleiben. Ich mach weiter, weil ich das fertig machen will. Was denn? Na, was gerade dran ist. Das Buch. Das andere Buch. Die Lesung. Die Veranstaltung. Was will die schon wieder? Sie sagen es nicht, aber ich spüre das W-Wort in der Luft wabern.
Sie sind eine Wossi, sagt mal eine, als ich gerade eine Woche hier bin. Auch gut. Habe nichts dagegen. Ist wenigstens ein Name. Mit dem Namen beginnt die Existenz. „Und der Mensch gab einem jeden Vieh und Vogel unter dem Himmel und Tier auf dem Felde seinen Namen“, 1. Mose 2., Vers 20.
Ich mach das morgen. Ich mach die Lesung. Na kloar!, wie sie hier immer sagen, wenn man jemanden um Hilfe bittet. Das klingt total nett: Na kloar.
Und na kloar, geh ich danach nach Hause. Und na kloar, sieht man dann weiter.
verse
pre-chorus
chorus
verse
pre-chorus
chorus
Seh’n hier was, was du nicht siehst – der Moment, wenn du entdeckst, dass der wertvollste Kulturbeitrag zur Zeitgeschichte seit Monaten von einem dir bisher völlig unbekannten „Proll-Rapper“ namens Finch stammt. Respekt, Mann! Wir Wessis sehen nichts, und die Ossis lassen sich nicht in die Karten gucken. Aus schlechter Erfahrung?