Herrschaftsinstrument Sprache

Montag. „Bitte nachtragen!“ … „Kommen Sie morgen zu einer Belehrung!“ … „Mitkommen!“
Der Kommandoton liegt so manchem und so mancher Vertreter*in ostdeutscher Institutionen in der DNA wie der regionale Zungenschlag.
In Behörden und deren verlängerten Armen (Stadtverwaltung, Schulen, Postämter), beim Augenarzt und hin und wieder sogar im Geschäft … als sei es mal wieder an der Zeit, eine Abreibung zu genießen!
So fühlt es sich an – so soll es sich anfühlen. Für viele sich elitär Verortende ist das hier einfach der normale Umgangston, Punkt!
Er geht immer von oben nach unten. Oben die „Belehrung“ – oder „Maßnahme“, beides inflationär häufig abgerufene Vokabeln -, unten wird gekuscht. Warum bloß?
Ich bin das nicht gewöhnt. Niemand hat zuvor so mit mir gesprochen, jedenfalls nicht seit den letzten vierzig Jahren. Ich kann solche Verbalentgleisungen höflich überhören und mir sagen: Sie wissen es nicht besser.
Interessant wäre die Frage, wieso eigentlich nicht?
Sprache als Herrschaftsinstrument von Eliten – das Thema hatten sie in Ostdeutschland nicht. Im Gegenteil, die DDR-Führung wusste Sprache gekonnt als Unterdrückungsmittel einzusetzen (wie alle indoktrinierenden, autoritären Systeme): in der Propaganda, in der alltäglichen, oft gegenseitigen Kontrolle (die Schere im Kopf), beim Staatssicherheitsdienst.
Das wirkt offenbar immer noch nach.
In den alten Bundesländern anfangs nur ein akademischer Diskurs, spielte ‚Sprache als Machtmittel‘ besonders im Linguistikstudium eine riesige Rolle. Ich habe jede dieser Seminarstunden in Tübingen genossen. Und davon profitiert. Irgendwann war es kein akademisches Thema mehr, sondern eins, das in den Alltag reinspielte: In jede Kommunikation, in jede zwischenmenschliche Beziehung – zwischen Seminarleiter und Studentin, zwischen Erwachsenen und Kindern, zwischen Männern und Frauen.
Wer sich damit nicht auseinandersetzt, kann sich auch nicht wehren.
Lasst euch nicht demütigen, predige ich meinen jungen Menschen. Hör in dich rein: Was machen diese Worte mit dir? Nimm das ernst. Nimm dich ernst! Dann dürfen manche Worte ruhig draußen bleiben.