Krankheiten

Freitag. Oh Goooooooooooooooott! Mein Maaagen!
Klingt wie der Heilige Stuhl, ist aber Jerome, der ziemlich viel Trüffelschokolade gegessen hat.
Wir lesen alle drei die FAZ, diskutieren einen Artikel, der Die Potemkinisierung der deutschen Universität heißt und davon handelt, dass wegen der permanent abverlangten Selbstdarstellung die Professoren in den Produktionsmodus der Unerheblichkeit gezwungen werden. Ich lasse mir das auf der Zunge zergehen. Jerome findet die Formulierung gedrechselt und h.g.g. (hochgradig gestört), Beret stimmt ihm zu.
Na ja, sage ich, darauf musst du erstmal kommen …
Die beiden gucken mich mitleidig an: Also, ICH muss das nicht, sagt einer von beiden, oder vielleicht sagen es auch beide.
Stimmt, denke ich. Die können das einfach bloß so lesen. Wollen nichts zerlegen, nichts infrage stellen, nichts bunkern für klammheimliches Textrecycling. Kann ich mir gar nicht mehr vorstellen. Lesen ist für mich immer irgendwie gleichzeitig auch schreiben.
Für alle Fälle schneide ich den Artikel mal aus.
Das Telefon klingelt. Keiner geht dran, bis Jerome es sich mit Blick aufs Display anders überlegt und schnell abhebt. Es ist sein Privat-Doc. Will wissen, was die Schmerzen in der Niere machen, die Jerome seit Wochen plagen. Er empfiehlt ein anderes Antibiotikum. Er solle das ausprobieren, bei seinem Krankheitsbild reagieren die Medikamente anders als sonst, fasst Jerome das Gespräch für uns zusammen.
Grete, wenn du da bist, esse ich immer so viel.
Kann ich was dafür?
Ja, weil Beret dann so Sachen hinstellt. Schokolade und Kekse und Lakritze und Nüsse und so. Mephisto-Beret!
Klingt lustig, aber irgendwie auch gereizt, nervös.
Nech?, schiebt er nach, und das klingt auch gereizt und nervös.
Du brauchst das bloß liegen zu lassen, sagt Beret und schiebt sich Lakritze in den Mund.
Jerome tastet vorsichtig auf seinem Magen herum. Er kann heute wieder sehr schlecht laufen, durch die Nierenentzündung ist sein Immunsystem irritiert, was sich direkt auf Nerven und Muskeln auswirkt. Ich wüsste gerne, welcher Körperteil ihm eigentlich nicht weh tut. Trotz Schmerztabletten, Schmerzpflaster, Kortison und jetzt eben noch Antibiotika. Er will kein Mitleid. Aber er ist doch mein Lieblingsvetter und mein liebster Freund. Da hat man halt solche Gefühle, Mann!