Mein Lieblingsgegenstand ist ein doppelter Ehering.
Er gehörte meiner Mutter. Früher war er nicht doppelt. Erst nach dem Tod meines Vaters wurde er aufgestockt, indem meine Mutter ihren eigenen und den Ring meines Vaters zusammenlöten ließ.
Der Ring ist aus Gold, und er ist ein bisschen schief. Wahrscheinlich, weil der größere meines Vaters nicht korrekt verkleinert wurde. Er ist auch eine Spur breiter. Am Finger sieht man das nicht, nur wenn ich ihn hinlege, fällt die leichte Asymmetrie auf.
Die Ehe meiner Eltern habe ich nie verstanden. Sie stritten fast jeden Tag, mein Vater brüllte dann, meine Mutter stichelte. Normale Gespräche kamen selten vor. Ich wartete darauf, dass sie sich scheiden ließen, doch sie blieben zusammen bis zum bitteren Ende.
Mein Verhältnis zu meinen Eltern war auch nicht besser. Mit 15 bin ich gegangen, das hat meine Mutter mir nie verziehen.
Warum ich den Ehering trage? Seit ihrem Tod bin ich ihr näher gekommen. Ich nehme ihr nicht mehr so viel übel. Erkenne ihre eigene Not, ihr Unwissen, ihre Hilflosigkeit hinter manchen seltsamen Aktionen, die ich damals in der Situation als grausam und boshaft gedeutet habe.
Deine Mutter hat eine unglückliche Art, ihre Liebe zu zeigen, sagte mein Onkel einmal. Da lebte sie noch. Da ich den Satz nicht vergaß, konnte er über die Jahre seine Wirkung entfalten und manches relativieren. Das Schiefe, Schmerzhafte, auch Nichtwiedergutzumachende wird mir in dem Ring konkret. Ich trage ihn gerne. Ich schließe Frieden mit meiner Familie.
Kreative Schreibaufgabe: Beschreibung eines Lieblingsgegenstandes