Mittwoch. Sie ist pünktlich und kommt mit Kuchen. Ihr Mantel ist schwer vom Regenwasser. Ich bin krank und kann nicht raus, GsD!, und auch nicht zum Dienst. Aber Besuch geht. Der ist von langer Hand geplant, der gute Harry hat unser Treffen von Tübingen aus organisiert.
Du wirst immer ein Fremdkörper bleiben, fasst sie ihre Erfahrungen im Osten der Republik zusammen. Sie ist Pfarrerin und kommt ursprünglich aus Bayern. Aus dem Westen, wie es hier nach 35 Jahren immer noch gnadenlos heißt. Die aus dem Westen sind komisch. Weil sie herkommen? Weil sie immerzu irgendwas wollen? Das ist meine Interpretation, vielleicht, weil ich immerzu irgendwas will.
Die Leute hier wollen keine Veränderung mehr, sagt sie: die hatten mit ’89 genug davon.
Deshalb reden diese auffallend vielen Kinder/Jugendlichen, die in einer Wohngruppe leben, vom Heim, Dunkelhäutige sind Neger und die Frauen titulieren sich Arzt / Lehrer / Angestellter und nicht Ärztin / Lehrerin / Angestellte?
Anfangs ist das lustig (exotisch? unangepasst?), irgendwann nervig. Diese Diskussionen hatte ich zuletzt in den Siebzigern, ein inneres Gähnen macht sich breit. Das Festhalten an sprachlich Überkommenem wird aggressiv verteidigt, West gegen Ost. Was wollen die Wessis schon wieder? Wir reden, wie wir wollen. Herrliche Alliteration, inhaltlich so was von vorgestern!
Ich bin nicht entmutigt, bin in einer bevorzugten Situation, habe Plan B immer in der Tasche. Es gab für mich nie einen Grund, von Tübingen wegzugehen, außer PM. Der ist der einzige Grund. Der Mann ist übrigens auch der Grund für die Pfarrerin, durchzuhalten.
Es ist schmerzhaft, eine Fremde zu sein, sagt sie. Den Schmerz musst du aushalten. Das Heimweh auch.
Ach du Scheiße!