Im Spiegel

Mittwoch, Buß- und Bettag. Der Traum der Menschheit, lästige und fremdbestimmte Arbeit an Maschinen abzugeben, verkehrt sich gegen die Menschheit selbst: KI übernimmt – im Zuge mit vielen anderen – auch genau jene uralten, uns als Menschen wesensmäßig determinierenden, ureigensten Tätigkeiten, die uns statt belasten doch er-füllen. Die uns auf uns selbst besinnen und kreativ werden lassen, die uns zu dem gemacht haben, was wir sind: Die KI malt, komponiert und dichtet.

Auf Tastenklick generierte Texte in der Manier von Shakespeare, Goethe etc. sind gefälliger, glatter als die Originale der Eigendenker. Sie sind frei von Widersprüchen und komplexen Sprüngen. Das aber genau ist der menschliche Geist: komplex, widersprüchlich, assoziativ. Und manchmal sperrig, weshalb wir uns an ihm abarbeiten dürfen, um eine neue Stufe der Erkenntnis, der beglückenden Einsicht zu erlangen. Manchmal dauert das Jahre, manchmal passiert es spontan. Oder immer wieder neu, wie es mir mit Paulus‘ 2000 Jahre alter Gedankenkette über menschliche Selbsterkenntnis geht:

9 Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. 10 Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören. 11 Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war. 12 Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin. 13 Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen. (I. Kor. 13)

Nichts hinzuzufügen. Worte von ewiger Schönheit.