Kafkas Türen

Freitag, Tübingen. Vor wenigen Monaten, genauer: im Oktober, war ich zum Vorstellungsgespräch an einer Fachschule in E. eingeladen.
Wir brauchen Sie!, hörte ich in diesen zwei Stunden mehrmals – wie oft im Leben bekommt man das gesagt? – und fand mich inmitten eines intellektuellen Pingpongs der allerfeinsten Art wieder. Der Chief der kirchlichen Einrichtung hatte sich auf unser Gespräch vorbereitet, meine bisherigen Tätigkeitsfelder recherchiert und eigens für mich ein neues Fach kreiert: Bibelwerkstatt – ein Zusammenschnitt von Kreativem Schreiben und Religionsunterricht.
Ich war begeistert, entflammt. Unmittelbar nach unserem Gespräch begann ich, Ideen für die Probestunde, die im Februar stattfinden sollte, zu sammeln. Wenn sie gut liefe, woran wir beide keinen Zweifel hatten, könnte ich kommenden August anfangen. Ich hatte den Kopf voller Ideen, war sofort inspiriert, nicht zuletzt aufgrund der Aussicht, endlich meine Szene an meinem neuen Wohnort gefunden zu haben.
Im Januar fragte ich an, wann der Testlauf denn nun stattfinden solle. Keine Antwort. Auf wiederholte telefonische Nachfrage teilten die Gesprächspartnerinnen, es waren immer andere, mir lediglich mit, der Leiter sei krank. Auf ungewisse Zeit, mehr könne man mir nicht sagen. Aggressivität statt Bedauern, das fiel mir auf, doch führte ich den Tonfall auf meine Hartnäckigkeit zurück (weil Frauen Probleme ja immer auf sich selbst zurückführen). Ich schickte ihm Genesungswünsche, wartete weiter ab – keine Reaktion.
Mehrere Anrufe brachten immer mehr Ungereimtheiten zutage. Niemand wusste was von mir, getreu dem Motto: Mein Name ist Hase, auch wenn wir direkt einen Tag zuvor miteinander telefoniert hatten. Eine geradezu kafkaeske Anwandlung kam mich an, ich malte mir unendlich viele Türen und dahinter unendlich seltsame Szenarien aus (tatsächlich ist die Einrichtung in einer ehemaligen Kaserne mit unendlich langen Fluren untergebracht).
Aufgrund der Krankheit, so wird mir heute in harschem Ton eröffnet, habe der von mir Gesuchte keine Leitungsfunktion mehr inne.  Und überhaupt sei er über die Einrichtung nicht mehr erreichbar.
WHOUTTTT? Wo sind dann meine E-Mails hin?
Dass hier was faul ist, ist auch deshalb so offensichtlich, weil diese mehr oder weniger Verantwortlichen nicht mal so tun als ob. Wie sie sich wegducken, ihren Ärger kaum verhehlen, sich in der Kommunikation zu keinerlei Restanstand bewegen lassen, bin ich mir inzwischen sicher: Sie haben ihn schlicht und einfach weggemobbt.
Frischer Wind schürt Ängste. Veränderung – nein danke!, scheint über den Eingangstüren thüringischer Amtsstuben, egal ob kirchlich oder staatlich, eingemeißelt, das begreife ich allerspätestens heute. Jede(r) sorgt für sich allein und Hauptsache, es bewegt sich – nichts.
Pssst! Trauriges Erbe des einstmals Neuen Deutschlands?