Donnerstag. Der Hamas-Überfall auf Israel war ein Radikalisierungsbeschleuniger, der nicht nur dem Land Israel, sondern auch der Bevölkerung in Deutschland zu schaffen macht. Wer Augen und Ohren offenhält, kann nicht umhin festzustellen, dass seit dem 7. Oktober ’23 eine Enthemmung der islamistischen Szene stattgefunden hat.
Ihre Vertreter (in der Regel männlich) stellen sich viel vitaler und offen aggressiver dar als noch vor ein paar Monaten. So wird der Dreifachmord in Solingen von Sachverständigen als bisheriger Höhepunkt einer Entwicklung bewertet, die noch gar nicht absehbar sei. Darauf weist u.a. der gläubige Muslim und Islam-Experte Eren Güvercin am 28.08.24 bei Markus Lanz hin: Was in der deutschen Politik völlig fehle, sei eine kritische Auseinandersetzung mit dem Islamismus.
Die reflexartige Verteidigung der islamischen Verbände durch die deutsche Politik und deutschsprachigen Medien blende aus, dass der Staat zum Schutz der Bevölkerung – auch der in Deutschland lebenden muslimischen Bevölkerung – verpflichtet sei, sich mit der Ideologie und den Erscheinungsformen des Islamismus kritisch auseinanderzusetzen. Leider spreche dieser gezielt sehr junge, männliche Jugendliche an. Wo bleibt da die gesellschaftliche und politische Gegenwehr? Wo bleiben die glasklaren Stellungnahmen: So leben wir hier, und so wollen wir auch in Zukunft leben? Und wenn es “nur” ein Konzert von Taylor Swift ist, das Menschen besuchen können, ohne sich ihres Lebens bedroht zu fühlen. Besonders die SPD sei nicht wirklich offen für diese Debatte, so Güverzin. Beispiel: Warum sonst sei erst vor vier Wochen das längst überfällige Verbot gegenüber dem IZH / Islamisches Zentrum Hamburg ausgesprochen worden?
Auf der anderen Seite vermisst Güverzin aber auch eine klare Abgrenzung der muslimischen Verbände von islamistischen Ideologien. Im Gegenteil haben sie sogar sehr viele Berührungspunkte mit den radikalen Strömungen des Islam. Der IS habe tausende jesidische Frauen versklavt, auf der Grundlage des Koran. Dagegen müssten sich muslimische Verbände wehren und den islamistischen Narrativen ein positives Narrativ entgegensetzen. Ansonsten seien die Jungen der Propaganda von religiösen Extremisten auf Tiktok u.ä. wehrlos ausgesetzt, die sich in den sozialen Medien geradezu als Popstars gerierten. Der sog. Zentralrat der Muslime, der überhaupt nur 3 % der Muslime repräsentiert (der Name ein PR-Gag), da viele Verbände inzwischen ausgetreten sind, werde von der Politik nach wie vor hofiert. Daher seine öffentliche Wirksamkeit, seine mediale Präsenz, obwohl sich unter diesem Dachverband u.a. die religiös-politische türkische Organisation Milli Görüs aufhält, die anerkanntermaßen im Islamismus verortet ist. Wie auch andere Organisationen mit Bezügen zur Muslimbruderschaft und zum Teheraner Regime, z.B. die von der türkischen Religionsbehörde finanzierte und repräsentierte DITIB, deren Vertreter*innen die Hamas offen als Befreiungsorganisation feiern. Muslimische Verbände, die beanspruchen, für eine breite muslimische Gemeinde zu sprechen, müssten aber ihre gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und sich eindeutig gegen islamistische Bestrebungen abgrenzen.
Mit Abschiebungen sei das Problem des Islamismus überhaupt nicht gelöst. Wer eine Brandmauer gegen Rechts zieht, der müsse sich auch gegen türkischen Rechtextremismus und islamistische Propaganda positionieren.
Danke, Eren Güvercin!