Sonntag. Ich hab die Wurst diesmal abgepackt gekauft. Das ist die GLEICHE wie die an der Frischetheke. Beret hält ein luftdichtes Päckchen Leberpastete durch die Küchentür.
Kann ich was helfen?, frage ich.
Nee, lass stecken, ich meld mich schon.
Es klappert und poltert. Es riecht nach angebratenem Hack. Jonas‘ Lieblingsessen: Hackfleischsoße mit Nudeln.
Ich könnte doch mal wieder einen Nachtisch machen. Mit Blaubeeren? Erdbeeren? Johannesbeeren?
Nö, Grete. Das hatten wir doch gestern erst. So viel Gesundes bekommt uns nicht.
Oder einen Salat?
Nönö, Grete, echt nicht.
Oder eine Gemüsesuppe?
Grete, dusselige Kuh, jetzt reichts!
Manchmal würde ich gerne die Gedanken von Jeromes und Berets Nachbarn kennen. Über mich zum Beispiel, die bedauernswerte Cousine aus Süddeutschland, die in einer Wohnsiedlung in Kiel ihre Ferien verbringt.
Hast du Tante Astrid heute schon angerufen?, frage ich und verschiebe damit mein eigenes schlechtes Gewissen.
Grete, sag mal, sonst geht’s dir gut?
Es klappert und poltert, aber anders als vorher. Beret räumt das Fensterbrett in der Küche leer und reißt das Fenster auf. Seit Jerome diese vielen Tabletten nehmen muss, erträgt er keinen Fischgeruch mehr. Für Beret und mich gibt es heute nämlich frischen Fisch: Scholle, Rotbarsch, Zander und Dorsch. Von mild bis kräftig wollen wir sie der Reihe nach durchprobieren. Beret und ich machen einen auf Gourmet. Jerome lehnt frischen Fisch ab. Er bekommt Fischstäbchen, die sind sein Lieblingsessen.
Beret: Sollen wir oben essen? (Oben heißt beim Fernsehen).
Mir egal, sage ich.
Grete, entscheide dich!, schreit Jerome. Uns ist das auch egal!
Also, dann oben.
So ein Zufall, gerade fängt der Tatort an. Tadaa, die Augen, und: tadaa! Diesmal kommt er aus der Schweiz und heißt Geburtstagskind.
Wieder mit den bekloppten Untertiteln? Tatort mit UNTERTITELN! Beret schlägt sich vor die Stirn.
Nee, die sprechen jetzt Hochdeutsch. Mit Dialekt gibt es nur auf SWR3, informiere ich sie.
Jerome: Wir können uns ja mal einen Eindruck verschaffen.
Wenn Jerome sich einen Eindruck verschafft, wofür er sich maximal dreißig Sekunden Zeit lässt, kann das bedeuten: Zack, und aus! Das ist Müll!, verkündet er dann. Das seht ihr doch auch so?
Zehn Minuten sind um, und wir gucken immer noch.
Ist ganz spannend, nech?, sagt Jerome.
Das Telefon klingelt. Aus unerfindlichem Grund nimmt Jerome ab. Hallo, Tante Astrid, das ist aber nett, wir …
Beret verdreht die Augen. Wird jetzt ein bisschen dauern, und da Jerome nicht aufstehen und aus dem Zimmer gehen kann wegen seiner Krankheit, müssen wir alles mithören. Wir gucken gerade Tatort!, schreit er. TAT-ort! Nein, wir! WIR gucken gerade Tat-ort!
Mit Tante Astrids Gehör geht es aber auch bergab.
Die Fischstäbchen sind danach kalt. Guten Appetit mit deinem Gehäckselten, sagt Beret. Wir sind mit unseren Filets durch, sie haben großartig geschmeckt. Beret greift unauffällig nach der Schale mit den Süßigkeiten.
Und was meint Tante Astrid so?, frage ich.
Die polnische Leibeigene hat sie nicht verstanden, als sie nach ihrem bordeauxroten Brokatmorgenmantel verlangt hat. Obwohl Tante Astrid ihr die zwei Wörter extra AUFGESCHRIEBEN hat!
Schlüsselgeräusch. Beret erfreut: Jonas kommt.
Jonas steht schon in der Tür: Na, was guckt ihr?
Tatort. Auf Schweizerisch!
Scheiße, Fisch? Jonas guckt leicht angesäuert.
Beret springt auf.
Und wer ist der Täter?, fragt Jonas, indem er sich in Berets Sessel schmeißt.
Jerome: Beret weiß es schon. Die ist ja immer so MÖRDERSCHLAU. Sie verrät es uns aber nicht. Beret ist ja H.S.: Homo sapiens!
Oh, die Geburt eines neuen Namens? Es riecht ein bisschen nach angebranntem Hackfleisch.
Scheiße aber auch!, hören wir Beret schreien.
Beret kommt die Treppe herauf, mit einem Tablett und einem Teller Nudeln an Hackfleischsoße.
Jonas erleichtert: Ich dacht schon …
Die Fischstäbchen waren mal wieder fa-bel-haft! Ganz fabelhaft! Man könnte geradezu meinen: Farrrbelhaft, sagt Jerome.
Jonas mit vollem Mund: Das Hack schmeckt auch. Mein Lieblingsessen.
Beret: Nicht angebrannt? Sonst hätte ich auch noch Wurst da. Leberpastete. Frisch abgepackt.
Kach!, lacht Jerome. Frisch abgepackt – das wars dann ja wohl mit H.S. Frisch! Abgepackt! So was Albernes aber auch!