Ich muss, ich soll, ich darf …

Dienstag. Aktuelle Konfliktlage: Ein Geflecht aus Zwängen und Entscheidungen.

Your Über-Ich is watching you …

Löst Flashback bei mir aus: Zwanzig Jahre fatale Fehlurteile, fatale Fehlentwicklungen, sämtliche in der Überzeugung, das Richtige und Gute zu tun: Immer wieder, und immer wieder sehenden Auges bzw. Augen zu und durch angesichts der sich abzeichnenden Widersprüche! Weil ich dachte, ich muss, ich muss, ich muss …

Man ist nicht immer Herr in seinem eigenen Haus, höre ich Dr. K.’s Stimme.

Gestern Nacht kam eine Dokumentation über die Ehe von Schah Reza Pahlavi mit seiner großen Liebe Soraya. Man weiß ja nie, warum man an manchen Bildern hängenbleibt wie an einer Tube Sekundenkleber, gerade so, als könnten sie sämtliche Lebens- und Welträtsel auf einmal lösen, hat wohl mit der Ursuppe in den Tiefen des Unterbewussten zu tun, aus der hin und wieder ein eiskaltes Händchen fährt und sich, zack!, neues Futter holt.

Jedenfalls: Sieben Jahre nach der persischen Märchenhochzeit im Palast von Teheran im teuersten und schwersten Dior-Kleid der Welt – 20.000 Marabufedern und 6.000 Diamanten & Perlen – lässt der Schah sich wieder von ihr scheiden. Unter Zwang und unter Tränen: Sein Volk und die iranische Landesverfassung erwarten das von ihm. Weil die Nachkommen ausbleiben, woran Soraya die biologische Schuld zugeteilt wird.

Die Alternative, eine Zweitfrau für den Schah nur zum Zwecke der Zeugung, schlägt Soraya aus. Sie liebt ihren Schah, sie will ihn für sich alleine. 1958 geht sie nach Paris, wo sie 2001 ziemlich einsam stirbt. Einziger Lichtblick in ihrem trübseligen, goldenen Käfig soll die Erinnerung an ihre glanzvolle Hochzeit gewesen sein, erzählt ihre ehemalige Gesellschaftsdame.

Eineinhalb Jahre nach der Scheidung heiratet der Schah Farah Diba, mit der er zügig vier Kinder in die Welt setzt und endlich auch den potentiellen Thronfolger. Und dann ist auf einen Schlag alles vorbei. Mit der islamischen Revolution unter Turbanträger Ajatollah Chomeini wendet sich das Blatt der Geschichte. Regime-Change, Paradigmenwechsel. Der Thronfolger wird nun nicht mehr gebraucht, der Schah erst recht nicht. 1979 wird er abgesetzt und geht samt Gattin und den vier Kindern ins politische Exil.

Doch kein Land will die heikle Familie aufnehmen. Beginn einer Odyssee, 1980 stirbt das Familien- und Ex-Landesoberhaupt im Gastland Ägypten an seiner Krebserkrankung. Die große kaiserliche Gebärende lebt bis heute in Paris und Washington, wo sie sich für soziale Projekte engagiert. Zwei ihrer vier Kinder haben sich selbst getötet. Der Thronfolger, Cyrus Reza Pahlavi, lebt noch und wohnt mit Familie in irgendeinem kleinen Nest in Virginia. Auf Wikipedia ist nachzulesen, dass 2009 eine Fatwa über ihn verhängt wurde, unterzeichnet von Ex-Präsident Ahmadinedschad. Fatwas gehören zur Welt der menschenverachtenden Scharia und sie verfallen nie, damit muss der einstige Hoffnungsträger des persischen Hofes für den Rest seines Lebens fertig werden.

Wen interessiert das alles noch, außer dass die kaiserliche Restfamilie die sehr traurigen Protagonisten eines sehr traurigen Gleichnisses darstellen.

Nur Unglück hat die unter dem Eindruck der Staatsräson entstandene Entscheidung hinterlassen, zwei tragische vorzeitige Todesfälle, zwei Selbsttötungen, mit Sicherheit viel Wut und Verzweiflung. In diesem Deal gab es keinen Gewinner. Und trotzdem wurde er wissentlich und sehenden Auges ausgehandelt, in der Überzeugung, das Richtige zu tun.